Du kommst hier net rein!

Am letzten Sonntag fand das vermeintliche Drittliga-Spitzenspiel zwischen dem SV Wehen Wiesbaden und dem FC Hansa Rostock statt, aber die Begleitumstände des Spiels lassen das Sportliche leider ein wenig in den Hintergrund treten.

Aufgrund der Vorfälle beim Auswärtsspiel in Dresden waren laut DFB-Urteil keine Fans des FC Hansa bei den Auswärtsspielen in Sandhausen und Wiesbaden zugelassen. Während in Sandhausen die Kontrollen wohl noch nicht so ganz ausgereift waren und 70-100 Rostocker ins Stadion gelangten, sollte oder wollte man es in Wiesbaden besser machen. Die Ansage lautete: „Besucher, die außerhalb der PLZ-Bereiche 60,61,62,63,64,65,55,56,34,35,36 wohnen oder geboren sind, erhalten keinen Zutritt in die Arena.“ Sichergestellt werden sollte das durch Kontrolle der Personalausweise (die bisher zwar keine Postleitzahl enthalten, aber das nur am Rande).

Wenn man es richtig liest, heißt das also, dass man in einem der genannten Gebiete wohnen und geboren sein musste, um ins Stadion zu dürfen. Das trifft sicherlich für viele Fans des SVWW zu, aber, ob man es glaubt oder nicht, es gibt auch zahlreiche Menschen, die weiter weg geboren wurden und im Laufe ihres Lebens in diese Gegend gezogen sind und trotzdem mit dem SVWW sympathisieren.

Ganz so streng wollte man es aber wohl doch nicht sehen, selbst wenn SVWW-Pressesprecher Eckart Gutschmidt behauptet, dass auch Besucher „aus Düsseldorf, Aachen oder Köln“ abgewiesen worden seien. Ich habe selbst, während ich an den Kontrollen stand, mitgehört, wie Leute, die in Offenburg (Baden-Württemberg), Bremen oder in Ostfriesland geboren wurden, durchgewunken wurden. Hingegen wurden offensichtlich alle mit einem Geburtsort „im Osten“, also in einem der (nicht mehr ganz so) neuen Bundesländer, abgewiesen. Ein Fall war dabei so absurd, dass es schon wieder lustig ist: Besucher ist laut Personalausweis in Berlin-Kreuzberg geboren und wurde mit der unverhohlenen Begründung „Ossi“ abgewiesen, durfte dann aber nach dem Hinweis, dass Kreuzberg in West-Berlin liegt, doch passieren.

Diese scheinbare Ossi-Diskriminierung schlägt momentan natürlich hohe Wellen und hat es bis zu Spiegel Online und Bild „geschafft“. Der SV Wehen Wiesbaden begründet das Vorgehen mit den strengen Vorgaben, die der DFB in der Angelegenheit gemacht hat. Das mag wohl stimmen, der Verein hat dennoch den schwarzen Peter und muss jetzt mit PR-Aktionen wieder für ein besseres Image sorgen. Beim DFB ist man unterdessen mit den Maßnahmen „zufrieden“.

Insgesamt ist das schon ein starkes Stück, dass eigentlich Hansa Rostock für das Fehlverhalten einiger seiner Fans bestraft werden soll und völlig unbeteiligte Vereine einen womöglich viel größeren „Kollateralschaden“ davontragen. Es ist ja sehr nett vom DFB, dass er Hansa so entgegenkam und die vom FCH selbst vorgeschlagene Strafe von zwei Auswärtsspielen ohne eigene Fans übernahm, aber gerechter wäre wohl doch ein Geisterspiel in Rostock gewesen. Damit trifft man natürlich auch zahlreiche Unbeteiligte (nämlich die Mehrheit der friedlichen Hansa-Fans), aber das erscheint mir persönlich als das kleinere Übel als irgendwelche anderen Vereine, die gerade das Pech des Spielplans haben, in den Schlamassel mit hineinzuziehen.

Mal ganz abgesehen vom Image-Schaden durch die „Ossi-Filterung“ dürfte die ganze Aktion schließlich auch einen finanziellen Schaden beim SVWW hinterlassen haben. Hansa Rostock hat zwar 18.000 Euro Entschädigung bezahlt, aber das dürfte für kaum mehr als das nicht verkaufte Kontingent an Gästekarten reichen. Die zusätzlichen Kontrollen, die unverkauften Tickets daheimgebliebener Wehen-Fans und der Aufwand, das jetzt im Nachhinein wieder alles gerade zu biegen, wird wohl kaum von der Entschädigung gedeckt sein.

 

Werfen wir trotzdem noch einen kurzen Blick aufs Spiel zurück.

Hansa war die ganze erste Halbzeit die überlegene Mannschaft und ging durch – natürlich – Björn Ziegenbein in Führung. Dass der trifft, war ja zu erwarten und bescherte mir den Gewinn einer 10-Euro-Wette  – aber manchmal möchte man ja eigentlich gar nicht Recht behalten. Kurz vor der Pause wurde es dann hektisch, als der Rostocker Marcel Schied im Wehener Strafraum recht hart gegen Flo Hübner einstieg und Torwart Michael Gurski daraufhin die Nerven verlor: Schubser und Tritt gegen den Gegenspieler, folgerichtig die rote Karte und, wie mittlerweile vermeldet, drei Spiele Sperre. Zu allem Überfluss traf Gurski bei seiner Unbeherrschtheit nicht nur Schied, sondern auch Kollege Hübner, der daraufhin mit einer leichten Gehirnerschütterung ausgewechselt werden musste. Für Hübner wurde in der zweiten Halbzeit Marco Neppe eingewechselt – gerade genesen von einer schweren Gehirnerschütterung, die ihm ebenfalls Michael Gurski zugefügt hatte, beim Spiel in Ahlen. Für unsere Rechtsverteidiger besteht also wenigstens Hoffnung, dass sie die nächsten drei Wochen ohne Kopfverletzungen überstehen.

Für die zweite Hälfte hatte ich wenig bis keine Hoffnung, denn selbst ohne Unterzahl hatte der SVWW kaum vernünftige Offensivaktionen zeigen können. Aber zum Glück täuschte ich mich diesmal, denn die Mannschaft kam, durch den Platzverweis zusammengeschweißt (und vermutlich von Lettieri zusammengefaltet), wie verwandelt aus der Kabine. Vom Anpfiff weg wurde Rostock unter Druck gesetzt, das Spielgeschehen fand nur noch in gegnerischer Hälfte statt und tatsächlich fiel nach kurzer Zeit der Ausgleich durch Marcel Ziemers ersten Saisontreffer. Wehen konnte den Druck noch ein wenig länger aufrecht erhalten, traf aber nicht mehr und ließ dann wieder nach, woraufhin Hansa das 2:1-Siegtor erzielte und den Rest des Spiels kontrollierte. Sehr ärgerlich, dass dem 2:1 ein ungeahndetes Handspiel eines Rostockers vorausging, wie man im Fernsehen erkennen konnte, aber das passte letztlich nur ins schwache Bild, das der überforderte Schiedsrichter Bandurski abgab.

Am Ende steht also die dritte Niederlage in den letzten vier Spielen zu Buche und die Distanz zu Platz 3 ist auf 5 Punkte angewachsen. Wichtiger ist aber der Blick nach unten. Zu Platz 5 ist der Abstand um einen Zähler geschrumpft, beträgt aber immerhin noch 4 Punkte. Praktischerweise müssen die Verfolger in den nächsten Spielen gegen die Spitzenteams oder gegen Tabellennachbarn antreten, sodass ganz gute Chancen für Wehen Wiesbaden bestehen, den vierten Platz noch länger zu verteidigen, idealerweise bis zur Winterpause. Dazu wäre es aber aus naheliegenden Gründen extrem hilfreich, selbst endlich mal wieder ein Spiel zu gewinnen.

Am Samstag gibt es dazu die nächste Gelegenheit in Koblenz. Auf geht’s, rot-schwarze Jungs!