Interview mit dem rotebrauseblogger: „Die Bundesliga ist ein völlig fernes Wesen“

Vor dem Heimspiel am kommenden Samstag gegen RB Leipzig unterhielt ich mich mit dem Blogger-Kollegen Matthias alias rotebrauseblogger.de, auch auf Twitter unter @rotebrauseblog zu finden.

Hallo Matthias, stell Dich doch mal kurz vor, bitte. Und vor allem: wie bist Du zum RB Leipzig gekommen?

Vielen Dank für die Intervieweinladung zuerst einmal. Meinen Namen hast du ja schon genannt. Ich bin 39 Jahre und schreibe seit nunmehr dreieinhalb Jahren Geschichten nicht nur, aber überwiegend zu RB Leipzig via rotebrauseblogger.de ins Netz.

Ich bin 2001 nach Leipzig gezogen und nach jahrelanger Livefußball-Abstinenz habe ich mich im Sommer 2004 in das umgebaute Zentralstadion verschossen. Sporadisch versuchte ich es mit dem FC Sachsen Leipzig, ohne dass die Beziehung je sehr tief wurde. Und nach derem Abschied aus der zentralen Leipziger Arena war das Kapitel für mich beendet. Dann kam RB Leipzig und ich fand es grundsätzlich gut, dass es einen finanziell abgesicherten Weg jenseits der zwei alteingesessenen Vereine geben soll. Die erste noch in Markranstädt gespielte Saison beobachtete ich noch überwiegend aus der Distanz. Nach dem Umzug in das Zentralstadion, heute Red Bull Arena, verließ ich meine Distanz und rutschte in den letzten drei Jahren in vielen Livespielen immer näher an den Verein heran. Ich habe mich in diesen Jahren rund um RB Leipzig immer wohlgefühlt, egal ob zusammen mit 1.300 Zuschauern bei Minustemperaturen gegen Braunschweig II oder mit 30.000 Zuschauern beim ersten DFB-Pokal-Sieg gegen Wolfsburg. Das war wohl der entscheidende Punkt, warum es bzw. ich bei RB Leipzig blieb.

Mit dem Saisonstart unserer beiden Vereine können wir wohl mehr als zufrieden sein. Oder hättest Du gedacht, dass Wehen Wiesbaden gegen RB Leipzig das Spitzenspiel des 6. Spieltags wird?

Ich hatte beide zumindest als Mannschaften auf dem Zettel, die oben mitspielen können. Bei Wehen Wiesbaden war und bin ich mir in Bezug auf den Trainer noch unschlüssig (ist aus der Ferne schwer einzuschätzen), kadertechnisch gehörten sie aber vor der Saison definitiv zum engeren Kreis der Aufstiegsfavoriten. Und RB Leipzig hat eine gute und gewachsene Mannschaft, die sicherlich auch zu den Topteams gehört, sich aber noch an die dritte Liga gewöhnen muss. Von daher gab es – wie immer vor der Saison – ein paar Unwägbarkeiten, aber Wehen Wiesbaden auf Eins und RB Leipzig auf Drei sind aktuell und wären am Saisonende keine Riesensensationen. Von daher bin ich mit dem Saisonstart in Bezug auf RB mehr als zufrieden, sehe den Tabellenstand beider Mannschaften aber auch im Rahmen ihres jeweiligen Potenzials.

Die Firma Red Bull und ihre Fußballteams sind in der restlichen Fanszene nicht sonderlich beliebt. Ist Euch das als RBL-Fans egal und freut Ihr Euch einfach darüber, endlich wieder Profifußball in Leipzig geboten zu bekommen, oder wird das durchaus zwiespältig gesehen?

Mit Red Bull geht wohl jeder Anhänger von RB Leipzig unterschiedlich um. Es gibt die extremen Pole derer, die Red Bull nicht nennen, weil der Verein für sie RasenBallsport heißt, es um Leipzig geht und Red Bull nur Geldgeber ist auf der einen Seite und derer, die Red Bull für ihre Eventkultur schätzen auf der anderen Seite und dazwischen gibt es so ziemlich alles an vorstellbaren Positionen.

Wenn es einen kleinen, gemeinsamen Nenner gibt, dann ist es die nüchterne Sicht, dass Profifußball in seiner Organisation eben ein Geschäft ist, in das man sich nur durch hohe Anfangsinvestitionen einkaufen kann (und natürlich trotzdem sportlich vernünftig arbeiten und die entsprechende Infrastruktur herstellen muss). Letztlich fühlt man sich in Leipzig seit spätestens der Jahrtausendwende als zu Unrecht vom großen Fußballgeschehen abgehängt. Red Bull nehmen da viele als Möglichkeit dankbar hin.

Ich persönlich finde, dass die Diskussion um Red Bull – neben einigen bedenkenswerten Argumenten – an vielen Stellen von Doppelmoral geprägt ist. Grundsätzlich mag ich Debatten, auch über Zustand und Zukunft des Fußballs, aber alles Böse des Fußballs auf Red Bull abzuladen und dem den guten alten Club der ureingeborenen Bundesligateams entgegenzustellen, ist mir persönlich zu billig und projektiv.

Das Ziel – früher oder später – lautet 1. Liga. Hand aufs Herz, träumst Du schon manchmal davon? Oder zumindest von einem Spiel gegen Dynamo Dresden in der 2. Liga?

Nein, praktisch nie. Ich lebe mit meinem Fußballherzen eigentlich immer in der Gegenwart und die Bundesliga ist für mich, der sie live nur vier-, fünfmal kennenlernte und generell wenig verfolgt, ein völlig fernes Wesen. Das geht mir ja schon mit der dritten Liga so, die für mich drei Jahre lang eine ferne Welt war und die ich nun erstmal langsam und mit viel Freude entdecke. Von daher träume ich von Fahrten nach Duisburg und Spielen gegen Chemnitz. Damit bin ich traumtechnisch bereits gut ausgelastet.

Gibt es auch die Befürchtung, dass Red Bull irgendwann die Lust verlieren könnte und sein Engagement beendet, z. B. wenn die Ablehnung zu groß würde und das Marken-Image darunter litte?

Schwerlich vorstellbar. Das Engagement ist in Bezug auf Infrastrukturinvestitionen mit erheblichem Geldeinsatz unterfüttert. Wäre schwer zu glauben, dass es für die mittlere Zukunft eine Ausstiegsoption gibt. Aber klar, wenn Red Bull sich irgendwann mal denkt, dass Fußball nicht zum Markenkern gehört (z. B. weil die Firmenspitze sich verändert), dann werden sie wohl entsprechend handeln. Es wäre dann die Frage, inwiefern RB Leipzig mit Infrastruktur und Anhängerschaft in der Lage wäre, als sich verändernder Verein zu überleben.

Zurück in die Gegenwart. Euer Team ist zu einem großen Teil schon seit zwei Jahren zusammen und entsprechend eingespielt, vor dieser Saison kamen noch einige Spieler dazu, die auch von höherklassigen Vereinen umworben wurden. Glaubst Du, dass schon diese Saison der Durchmarsch drin ist, insbesondere da der Saisonstart geglückt ist und die Anpassung an die neue Liga gelungen scheint?

Ich glaube, dass man dazu erst in der Winterpause ernsthaft etwas sagen kann. Die Sommerpause war aufgrund der Drittligarelegation sehr kurz und ließ nur sehr wenig Zeit zur Regeneration, weswegen ich glaube, dass RB Leipzig im Herbst ein spürbares Tief durchleben wird. Je nachdem mit wie vielen Punkten man durch dieses Tief kommt, wird man oben dran bleiben können oder auch nicht. Wenn man zur Winterpause Tuchfühlung zu Platz 3 hat, wäre auch ein Durchmarsch denkbar. Zumal RB Leipzig natürlich auch die finanziellen Möglichkeiten hätte im Winter ein, zwei mögliche Schwachstellen im Kader noch einmal auszubessern. Ich persönlich sehe einen Durchmarsch eher skeptisch und hielte für die Entwicklung der Mannschaft und des Vereinsumfelds mindestens eine weitere Drittligarunde für nicht verkehrt. Aber wenn die Aufstiegschance am Ende der Saison noch da ist, werde ich natürlich auch darauf hoffen. Da gewinnt dann das Sportanhängerherz über die Rationalität.

Das mit der gelungenen Anpassung an die dritte Liga sehe ich allerdings noch nicht ganz so optimistisch. Punktetechnisch ist sie bisher sicher perfekt gelungen. Sportlich macht man auch viel richtig, aber man sieht auch, dass man, um in der dritten Liga zu bestehen, mehr braucht als eine gute Spielanlage. Cleverness, 90 Minuten Wachheit, Robustheit. Da müssen die Spieler sich erst drauf einstellen und dieser Prozess ist wohl noch lange nicht abgeschlossen.

Mit Erik Domaschke steht ein Ex-SVWWler im RBL-Kader. Seine Chancen auf einen Einsatz dürften aber eher gering sein, oder?

Erik Domaschke würde wohl im Tor stehen, sollte sich Stammkeeper Fabio Coltorti verletzen. Abgesehen von diesem Fall sind seine Einsatzchancen gleich Null. Auch wenn er in der dritten Liga sicherlich ein mindestens passabler Keeper ist.

Zum Abschluss: Dein Tipp für Samstag?

Ich sehe Wehen Wiesbaden aufgrund der Robustheit und Drittligaerfahrung leicht favorisiert, hoffe aber natürlich auf (mindestens) einen Punkt. Salomonisch deshalb: 2:2 und ein tolles Spiel.

Ein tolles Spiel wünschen wir uns natürlich alle. Matthias, vielen Dank für das Gespräch!