Im Osten immer noch nichts Neues

Zwei weitere Auswärtsspiele (0:1 in Magdeburg, 1:1 in Aue) und die Gesamtpunktausbeute in der Fremde um 50 Prozent erhöht – es läuft beim SV Wehen Wiesbaden. Zugegeben, wenn die Mannschaft es eines Tages auch mal schaffen sollte, ein Auswärtsspiel gedanklich nicht nach einer guten ersten Halbzeit zu beenden, sondern einen Vorsprung auch mal bis zum Schlusspfiff zu behalten, dann könnte man vielleicht sogar den letzten Platz in der Auswärtstabelle verlassen. Ja, reichlich hypothetisch, habe ich selbst schon bemerkt.

Während der SVWW auswärts also weiter sieglos ist, ist er zuhause immerhin noch ungeschlagen. Da kommt am Freitag Dynamo Dresden als Prüfstein gerade recht. Mit einem Sieg gegen den unangefochtenen Tabellenführer könnte das Team ein deutliches Lebenszeichen senden und der Welt zeigen, dass man die Saison nicht schon in der Hinrunde abzuhaken gewillt ist. Ja, schon wieder hypothetisch, ich weiß.

Noch mehr Hypothesen gefällig? Gut, dachte ich mir. Die geplante Kooperation des SV Wehen Wiesbaden mit dem Nachbarn SV Wiesbaden geht gerade gehörig den Bach runter. Und das nicht, weil irgendjemandem in verantwortlicher Position mal aufgegangen wäre, dass die ganze Idee keinen der beiden beteiligten Vereine wirklich voran bringt, und auch nicht, weil die Mitglieder des SVW mehrheitlich dagegen gestimmt hätten, sondern weil Andreas Reich, Präsident und Geldgeber des SVW, Gegenstand einer staatsanwaltlichen Untersuchung geworden ist. Ihm bzw. seiner Firma werden Verstöße gegen das Urheberrecht vorgeworfen, was wohl bedeutet, dass nicht für alle Inhalte, die seine Streaming-Plattform anbietet, entsprechende Lizenzen vorliegen. Wie gesagt, momentan wird noch ermittelt, aber ich nehme mal an, dass die Staatsanwaltschaft sich nicht mehrere Jahre lang mit dem Thema beschäftigt und dann mehrere Büros gleichzeitig durchsucht, wenn es nicht einen halbwegs belastbaren Anfangsverdacht gäbe.

Solange die Sachlage nicht geklärt ist, haben die Vereine die Gespräche über die Zusammenarbeit auf Eis gelegt, bemühen sich aber zu versichern, dass die Idee noch längst nicht gestorben sei. Allerdings hat sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass die Kooperation, die ja keine Fusion der Vereine sein, sondern nur die Seniorenmannschaften sowie A- und B-Jugend umfassen soll, in dieser Form nicht mit der Satzung des Hessischen Fußballverbands vereinbar und somit gar nicht genehmigungsfähig ist.

Ohne jetzt allzu polemisch werden zu wollen, aber irgendwie scheint mir das doch gut ins Bild zu passen. Wenn noch nicht mal die formalen Kriterien erfüllt sind, ist es vermutlich nicht allzu verwegen anzunehmen, dass der Plan insgesamt noch nicht wirklich zu Ende gedacht ist. SVW-Geschäftsführer Alexander Seitz gibt freimütig zu: „Vielleicht ist es zur detaillierten Umsetzung ja sogar ganz gut, wenn der Blick erst auf die Spielzeit 2017/18 gerichtet wird.“

Wenn der SV Wiesbaden dann überhaupt noch etwas zu bieten hat, könnte man hinzufügen, ohne dass man dafür besonders gehässig sein müsste. Ich wage mal eine Prognose: Herr Reich bzw. Kartina.TV werden in den nächsten Monaten mehr mit dem Staatsanwalt als mit Fußballsponsoring beschäftigt sein. Sofern die Vorwürfe nicht völlig aus der Luft gegriffen sind (wovon ich nicht ausgehe, siehe oben), wird selbst im günstigsten Fall eine gehörige Nachzahlung an Lizenzgebühren fällig werden, was entsprechende Rückstellungen notwendig machen wird – mögliche Strafen mal ganz außen vor gelassen. Da das ganze Verfahren sicher noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird, wird Kartina den am Saisonende auslaufenden Sponsoring-Vertrag beim SVW nicht verlängern. Der SVW wird Mühe haben, diesen finanziellen Ausfall zu kompensieren und selbst wenn das gelingen sollte, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ein neuer Sponsor dasselbe Interesse an einer Kooperation mit dem SVWW haben wird, was ja nach bisherigem Stand mit einer Beteiligung an der Profi GmbH und im Zuge dessen mit einer deutlich erhöhten Zuwendung einhergehen sollte.

Und der SVWW? Wird weiterhin von Hankammers Gnade abhängig sein. Ganz zudrehen wird er den Geldhahn wohl nicht, aber möglicherweise den Etat weiter reduzieren. Das macht die Sache für die sportlich Verantwortlichen sicher nicht einfacher, aber ob man nun mit sechs oder fünf oder vier Millionen Euro im Jahr vor sich hin dilettiert, ist nahezu egal. Dass man mit einem passenden sportlichen Konzept und einer guten Umsetzung dieses Konzepts auch mit kleinem Budget erfolgreich sein kann, bekommt man ja regelmäßig andernorts vorgeführt.

Das viel zitierte „Ankommen in Wiesbaden“ wird die ganze Posse aber sicher nicht erleichtern. In der ohnehin sehr überschaubaren Anhängerschaft wurden alte Taunusstein/Wiesbaden-Gräben wieder aufgerissen und neue Gräben Pro/Contra-Kooperation sind hinzugekommen. Soviele Gräben, dass die paar Fans mit Leichtigkeit komplett darin verschwinden. Es bleiben also vor allem Verlierer – und so schließt sich dann auch wieder der Kreis zur sportlichen Sitation beim SVWW.