Interview mit Jens Volke: „Ich genieße die Spiele der zweiten Mannschaft“

Am kommenden Samstag ist ein großer Tag für Borussia Dortmund. Abends steigt im Westfalenstadion das Spitzenspiel gegen den FC Bayern München und einige Stunden zuvor darf die zweite Mannschaft des BVB in der Brita-Arena gegen den SV Wehen Wiesbaden antreten. Grund genug, sich mit Jens Volke, einem der Fanbeauftragten von Borussia Dortmund zu unterhalten.

Hallo Jens, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst! 

Jens Volke (Foto: BVB.de)
Jens Volke (Foto: BVB.de)

Du hast ja sozusagen eine “Fan-Karriere” hingelegt: vom normalen Südtribünensteher über die Mitgründung des Fanzines schwatzgelb.de und der Ultra-Gruppe The Unity hin zum Fanbeauftragten von Borussia Dortmund. Danach kann eigentlich nur noch eine Tätigkeit in der Geschäftsführung des BVB kommen, oder?

Mein Traumberuf bleibt Privatier, das ist zur Zeit leider nicht in Sicht.

Was sind Deine Aufgaben als Fanbeauftragter? Haben Du und Deine Kollegen unterschiedliche Arbeitsbereiche oder teilt Ihr das situativ auf?

Wir teilen es weitgehend situativ auf, haben aber jeder auch Schwerpunkte in unserer Arbeit. Die kompletten Aufgaben hier darzustellen, würde sicher den Umfang sprengen. Grundsätzlich ist es so, dass wir eben Ansprechpartner für (fast) alle Sorgen, Wünsche und Nöte unserer Fans sind.

Kannst Du Fußball allgemein und den BVB im Speziellen noch so genießen wie vorher oder verändert sich neben der Perspektive auch der Spaß, wenn man sein Hobby zum Beruf macht?

Nein, fast gar nicht mehr. Das habe ich total unterschätzt, als ich den Beruf angefangen habe. Mein Hobby ist kein Hobby mehr und das fällt manchmal schon schwer. Wenn man sein Leben so auf Fußball ausgerichtet hat, wie ich das schon vorher getan habe, fällt die Umstellung zwar nicht so schwer, dafür wird es im Laufe der Zeit aber eben auch immer komplizierter, Freundschaften zu pflegen, weil man mit denen dann ja auch noch beruflich zu tun hat. Dazu sieht man vom Spiel selbst auch oft genug nur noch die Hälfte oder weniger und man ist angespannt, geht nicht mehr so locker zum Spiel. Bevor mein Sohn geboren wurde, bin ich dann noch ab und an hoppen gefahren, um Fußball bei einem Bier zu genießen, dafür fehlt inzwischen aber sehr die Zeit. Das ist eigentlich nur noch ein- bis maximal zweimal im Jahr drin.

Kommst Du zuweilen auch in Gewissenskonflikte, z. B. beim Thema Pyrotechnik? Ich könnte mir vorstellen, dass einerseits Dein Ultra-Herz vor Freude hüpft, aber andererseits musst Du den Fans klarmachen, dass es halt nicht erlaubt ist – oder hast Du mit dem Thema gar nichts zu tun?

Mhm, schwierige Frage. Ich muss ehrlich sagen, dass ich auch als Ultra nicht als Pyromane bekannt war. Mich hat die Wichtigkeit des Themas oft genervt und das hat sich durch den Rollenwechsel eher noch verschlimmert. 😉

Deine Arbeit ist mitunter sogar gefährlich, in der letzten Saison wurdest Du beim Champions-League-Spiel in Donetzk in eine gewalttätige Auseinandersetzung hineingezogen. Denkt man dann schon mal darüber nach, den Kram hinzuwerfen, oder sagst Du eher “jetzt erst recht”, gerade bei der Arbeit gegen Neonazis im Stadion?

“Hineingezogen” ist gut, ich wurde gezielt attackiert, genau wie der Kollege vom Fanprojekt. Da ging es schon gegen uns und unser Engagement. Aber ich habe nie darüber nachgedacht, aufzugeben. Ganz im Gegenteil.

Welchen Stellenwert nimmt die zweite Mannschaft in Deiner Arbeit ein? Bist Du dort auch regelmäßig vor Ort?

Ich genieße die Spiele der zweiten Mannschaft. Oft viel unaufgeregter und alles übersichtlicher. Bei Parallelansetzungen leider oft sehr dünn besetzte Ränge, dafür machen die nicht zeitgleichen Spiele umso mehr Spaß.

Ist die Arbeit bei der zweiten Mannschaft entspannter, weil das alles in viel kleinerem Rahmen stattfindet, oder vielleicht sogar im Gegenteil anstrengender, weil sich dort auch manche Fans austoben wollen, wie sie es in der Bundesliga nicht können?

Entspannter, weil es für alle Beteiligten nicht die gleiche Bedeutung hat wie die erste Mannschaft.

Naheliegenderweise hängen die Zuschauerzahlen der zweiten Mannschaft stark davon ab, ob die erste Mannschaft am gleichen Tag spielt oder nicht. Gibt es auch so etwas wie eine reine Amateure-Szene beim BVB?

Eine Handvoll Leute, das waren aber auch schon mal mehr als zur Zeit.

Sportlich läuft es für die Borussia-Amateure in der Dritten Liga sehr wechselhaft, teilweise wechseln sich hohe Niederlagen mit hohen Siegen ab. Ist das ein typisches Phänomen für eine U23-Mannschaft eines Profiklubs, die überwiegend aus sehr jungen Spielern besteht und wo sich der Kader von einem zum nächsten Spieltag, je nach Anforderung der ersten Mannschaft, kurzfristig ändern kann?

Ich weiß nicht, ob das ein typisches Phänomen ist. So viele Abstellungen hat unsere Mannschaft ja in der Regel auch nicht.

2010 ging es nach dem Aufstieg in die Dritte Liga direkt wieder runter in die Regionalliga, letztes Jahr konnte erstmals die Klasse gehalten werden. Was ist dieses Jahr drin?

Ich hoffe, dass die Mannschaft nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird, das sollte bei der spielerischen Klasse auch drin sein.

Es ist gut möglich, dass es nächstes Jahr in der Dritten Liga zum Aufeinandertreffen mit der zweiten Mannschaft des FC Bayern kommt. Freust Du Dich darauf oder nervt Dich schon jetzt die Aussicht auf einen potentiellen Hype um einen “Amateure-Clasico”?

Clasico? Herrje, das nervt ja schon, wenn ich es lese. Für mich ist auch das Spiel der Profimannschaften kein “Clasico”, das gibt es in Spanien, nicht bei uns. Sicher weit davon entfernt, ein normales Spiel zu sein, aber eben auch weit davon entfernt, ein so traditionsreiches Spiel zwischen den beiden führenden Mannschaften Deutschlands zu sein. Man darf ja nicht vergessen, wo wir herkommen, vor ein paar Jahren haben wir die Hütte von den Bayern vollbekommen, da hätte niemand von einem möglichen Clasico gesprochen.

Hauptaufgabe einer zweiten Mannschaft ist es, Nachwuchsspieler an den Profibereich heranzuführen. Einige Spieler wie Jonas Hofmann oder Erik Durm sind schon dabei, sich in der Bundesliga zu etablieren. Auf wen sollte man noch achten?

Natürlich auf Marvin Ducksch, aber auch der Verteidiger Marvin Sarr. Sind grundsätzlich einige sehr talentierte Jungs dabei.

Der frühere Wehener Florian Hübner hat zwei Jahre bei den Borussia-Amateuern gespielt und war dort sogar Kapitän, bevor er vor dieser Saison nach Sandhausen gewechselt ist. Ist das Deiner Meinung nach das Maximum für ihn oder hat er vielleicht sogar das Potential für die erste Liga?

Puh, das kann und will ich wirklich nicht beurteilen.

Die Bilanz des BVB II gegen den SVWW ist ausbaufähig, in den bisherigen vier Partien gab es drei Niederlagen und ein Unentschieden. Glaubst Du, dass am Samstag mehr drin ist?

Natürlich wünsche ich mir einen Auswärtssieg, was für eine Frage.

Jens, herzlichen Dank für das Gespräch!