WM: zweiter Spieltag

Jetzt haben wir auch den zweiten Spieltag der Weltmeisterschaft überstanden. Ja: überstanden. Die richtig große Sause ist es immer noch nicht, auch wenn mittlerweile wenigstens ein paar interessantere Spiele dabei waren, wo beispielsweise mal ein 0:1 noch in ein 2:1 gedreht wird (Griechenland – Nigeria, Dänemark – Kamerun) oder aus einem 0:2 noch ein 2:2 wird (USA – Slowenien). Ansonsten schießt zuweilen der Favorit den Underdog tüchtig ab (Portugal – Nordkorea) oder quält sich zum Sieg (Niederlande – Japan, Spanien – Honduras) oder lässt die Punkte eben liegen (England – Algerien, Italien – Neuseeland). Große Begeisterung will sich aber nur in Ausnahmefällen einstellen, hoffen wir mal auf Besserung im weiteren Verlauf.

Nachdem man sich an das unsägliche Vuvuzela-Getröte etwas gewöhnt hat bzw. seit Sky das halbwegs wegfiltert, ist das beherrschende Thema momentan natürlich die Schiedsrichterleistungen. Fast kein Spiel ohne seltsame Entscheidungen, hauptsächlich rund um das Thema Verwarnungen. In manchen Spielen gibt es eine wahre Kartenflut (Deutschland – Serbien, Chile – Schweiz), in anderen hingegen werden auch üble Attacken laufen gelassen oder nur mit Freistoß geahndet sowie werden Tätlichkeiten übersehen (Brasilien – Elfenbeinküste, Spanien – Honduras). Auch wenn die FIFA das Gegenteil behauptet, aber eine einheitliche Linie lässt sich da beim besten Willen nicht erkennen. Und das kann durchaus zu einer gewissen Wettbewerbsverzerrung führen, wenn manche Mannschaften mit zahlreichen gelb-vorbelasteten Spielern in den dritten Spieltag und das Achtelfinale gehen, während andere, die bei gleicher Regelauslegung genauso viele oder wenige gelbe Karten hätten, noch keine Sperren zu befürchten haben.

Zumal die FIFA mit ihren Schiedsrichter-Ansetzungen auch die eine oder andere Merkwürdigkeit parat hat. Beispielsweise wird der Deutsche Wolfgang Stark das Spiel England – Slowenien pfeifen, in dem der deutsche Achtelfinalgegner ermittelt wird, sofern Deutschland gegen Ghana gewinnt. Und in letzterem Spiel bekommen wir es mit Carlos Simon zu tun, der wegen groben Fehlern schon vom heimatlichen Verband in Brasilien für eine Weile aus dem Verkehr gezogen wurde. Die Süddeutsche formuliert dazu auch schon mal vorsichtig eine kleine Verschwörungstheorie. Das kann ja heiter werden.

Die mäßigen Leistungen der Unparteiischen findet man aber nicht nur bei Schiris aus Fußball-Entwicklungsländern, sondern auch bei den Herren aus großen Ligen wie Spanien, Frankreich oder Japan (ok, letzteres ist vielleicht nicht eine ganz so prestigeträchtige Liga, aber die Schiris sind dort immerhin Profis). Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, warum beim größten Einzelsportereignis der Welt (mit Milliarden TV-Zuschauern und gigantischen Umsätzen) Amateure eingesetzt werden, die in ihrem ganzen Leben noch nicht vor mehr als 10.000 Leuten gepfiffen haben. Da genügt mir auch die extrem simple Begründung des früheren Top-Schiedsrichters Pierluigi Collina nicht, der im 11Freunde-Interview sagte:

„Die Weltmeisterschaft ist die Weltmeisterschaft. Das gilt für Schiedsrichter genauso wie für die Teams.“

Sehe ich nicht so. Das ist zunächst mal die Meisterschaft, bei der die beste Fußballnationalmannschaft der Welt ermittelt werden soll. Dazu werden üblicherweise die bestmöglichen Randbedingungen geschaffen, die ja auch in endlosen Anforderungskatalogen der FIFA an die Ausrichternation formuliert werden, z. B. was die Stadien und Rasen betrifft, die Mannschaftshotels und Trainingsplätze, etc. pp. Und da soll ausgerechnet bei solch (buchstäblich) entscheidenden Positionen wie den Schiedsrichtern das Gießkannenprinzip gelten? Gleichmäßig aus jedem Kontinentalverband, aber maximal einer pro Land? Wo ist denn da der Sinn? Außer vielleicht, dass Herr Blatter sich vornehmlich mit den Stimmen von Ländern aus Afrika, Asien, Ozeanien und der Karibik zum Präsidenten wählen lässt und deshalb auch ab und zu kleinere und größere Geschenke (WM-Vergabe an Südafrika) verteilen muss?

Wie dem auch sei, ab heute entspannt sich mein Tagesablauf wieder etwas und lässt mehr Zeit für andere Sachen aus Fußballgucken, denn jetzt gibt es keine Spiele um 13:30 mehr, nur noch 16:00 und 20:30. Die Parallelspiele des dritten Spieltags haben noch einen Vorteil: man kann umschalten ohne auf Fußball zu verzichten.