Auswärtsspiel, aber anders (#2)

Am Wochenende begann die Drittligasaison 2010/11. Dem SV Wehen Wiesbaden gelang mit einem 1:0-Auswärtssieg bei der Spielvereinigung Unterhaching ein perfekter Start und eine kleine Revanche für die Niederlage an gleicher Stelle am letzten Spieltag der vergangenen Saison.
Am kommenden Samstag findet in Wiesbaden das erste Heimspiel gegen Aufsteiger SV Babelsberg 03 statt, die ebenfalls mit einem 1:0 (gegen FC Bayern II) gestartet sind.

Ich selbst befinde mich zur Zeit aber in 8.000 km Entfernung an der kanadischen Westküste, sodass mein Fußballhunger nicht in der Brita-Arena gestillt werden kann. Stattdessen besuchte ich letzte Woche ein Spiel des ortsansässigen Fußballclubs, den Vancouver Whitecaps. Diese spielen in der „USSF D2 Pro League“, was so eine Art zweite Liga unterhalb der Major League Soccer (MLS) ist. Gegner waren die Portland Timbers, die ebenso wie die Whitecaps in der nächsten Saison in der vergrößerten MLS starten werden und somit den fußballerischen Stellenwert des pazifischen Nordwesten vergrößern, der bisher nur vom Seattle Sounders FC vertreten wird. Gespielt wird momentan im etwa 5.500 Zuschauer fassende Swangard Stadium in Vancouvers Nachbarstadt Burnaby.
Als ich mich dem Stadion näherte, erwartete mich die erste Überraschung: die Parkplätze direkt am Stadion waren schon komplett voll – sollte es hier tatsächlich reges Fußballinteresse geben? Ich parke also etwas weiter entfernt und war nach 10 Minuten Fußmarsch am Stadion. Zweite Überraschung: schon von außen waren Gesänge zu hören  – echte Fußballstimmung? Am Kassenhäuschen die nächste Überraschung, aber keine schöne, nämlich gesalzene Preise. Die Sitzplatzkategorien Bronze, Silver, Gold und Platinum kosteten zwischen 22 und 42 Dollar, zudem hingen Zettel aus, dass „Bronze“ nicht mehr verfügbar sei. OK, dann halt einmal „Silver“ bitte – aber vonwegen, mittlerweile war nur noch „Platinum“ vorhanden. Puh, über 40 Dollar für einen Kick zweifelhafter Klasse, da musste ich erst mal grübeln. Ich schaute mich um, ob vielleicht ein Besucher ein überzähliges Ticket loswerden wollte, aber es war niemand zu sehen, der verdächtig mit Karten wedelte. Ich versuchte mein Glück an einem anderen Kassenhäuschen, hatte mich aber schon mental darauf eingestellt, ein teures Ticket zu erwerben, denn wo ich schon mal da war, wollte ich dann nicht wieder gehen ohne das Spiel gesehen zu haben. Aber Überraschung, die nächste: mir wurde eher schamhaft noch der Stehplatzbereich angeboten, zum gleichen Preis wie die Bronze-Sitzplätze. Na super, ich hatte noch nicht mal auf einen Stehplatz zu hoffen gewagt, denn ich dachte, dass es in Nordamerika ausschließlich Sitzplätze gäbe.
So kam ich also in den kleinen Stehplatzbereich hinter dem Tor, wo sich die „Southsiders“ versammeln, der Supportersclub der Whitecaps. Das war natürlich das beste, was mir passieren konnte, denn hier war ich mitten im Geschehen. Während vor der Haupttribüne ein Maskottchen herumhüpfte und mit Schildern die Zuschauer zum Klatschen und Anfeuern animierte, gab es hinter dem Tor 90 Minuten lang nonstop Gesang und Anfeuerung. Der Support und die Lieder hatten deutlich britische Prägung, auch was die teilweise sehr anzüglichen Texte zu bekannten Pop-Melodien betraf. Hierzulande ist es daher offensichtlich nötig, am Eingang darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine „Adult Section“ handelt. Portlands Torwart Cronin, der in der ersten Halbzeit direkt vor dem kleinen, aber gemeinen Mob spielen musste, bekam jedenfalls einiges zu hören.
Das Spiel war, nun ja, ganz nett. Vom Fußballerischen her ein perfekter Ersatz für deutschen Drittligafußball: ordentlich vorgetragene Spielzüge wechselten sich mit blind nach vorne geschlagenen Bällen ab. Die Whitecaps hatten in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel, die etwas besseren Chancen gab es für die Timbers, mit 0:0 ging es in die Pause. Dort die nächste Kombination von positiver und negativer Überraschung: es gab zwar Bier, sogar mit Alkohol, aber es war tüchtig teuer. Fußballgucken scheint hier kein ganz billiges Vergnügen zu sein. Ich kam mit einigen der „Southsiders“ ins Gespräch, die sich seit einiger Zeit etwas professioneller organisieren und sich somit auch schon auf die MLS im nächsten Jahr vorbereiten. Die „Fußballverrücktheit“ einiger kann sich sehen lassen, Zach beispielsweise war während der gesamten WM 2006 in Deutschland, besuchte alle zwölf WM-Städte und neun Partien, Respekt.
In der zweiten Halbzeit ging Vancouver nach einem schönen Angriff über rechts in Führung, musste aber zehn Minuten später nach einer Notbremse im Strafraum den Ausgleich per Elfmeter hinnehmen und außerdem mit einem Mann weniger weiterspielen. Portland nutzte die personelle Überlegenheit aus, kam nach einem Patzer des Whitecaps-Torhüters Nolly zum 2:1 und ließ danach nichts mehr anbringen. Für Vancouver war es die erste Heimniederlage der Saison und zu allem Überfluss war nach zwei Niederlagen und einem Unentschieden gegen die Timbers auch der Supporter-Pokal „Cascadia Cup“ verloren. Nächstes Jahr sieht man sich in der MLS wieder.