Live on Tape
Das Gute an Länderspielpausen ist ja, dass man ohne weiter nachzudenken Verabredungen machen kann, auch an Tagen und Uhrzeiten, an denen man ansonsten vorsichtshalber vorher nachschaut, wer in 1./2./3. Liga/CL/EL gerade so spielt und ob man das wirklich verpassen will. Falls man am Länderspiel interessiert ist, war das leicht zu überschauen, denn diese Spiele fanden samstags und/oder mittwochs am Abend statt.
Nun, letzteres hat sich mittlerweile geändert, denn Länderspiele finden nun freitags und dienstags statt, damit die Nationalspieler einen Tag früher wieder bei ihren Vereinen zurück sind. Dumm nur, dass ich das noch nicht so auf dem Radar hatte und prompt am Freitag Besuch eingeladen und eine andere Verabredung für Dienstag angenommen hatte. OK, ist ja zum Glück nur die Nationalmannschaft, die außerhalb der Turniere selten richtig spannend ist, höchstens wenn’s in die entscheidenden Qualifikationsspiele geht. Trotzdem wollte ich mir das Spiel gegen Belgien gerne ansehen und tat deshalb etwas, was ich so gut wie nie mache: ich habe das Spiel aufgezeichnet um es später anzugucken. Hört sich völlig unspektakulär an (und ist es natürlich auch), aber ein Fußballspiel in voller Länge als Aufzeichnung anzuschauen und so zu tun, als wäre es live, ist schon ein äußerst seltsames Gefühl.
Um sich die Spannung zu erhalten muss man logischerweise vermeiden, mit irgendwelchen Nachrichten, sei es per TV, Radio, Internet oder sonstwie, in Berührung zu kommen, auch die Familienmitglieder müssen zum Stillschweigen verpflichtet werden. Und dann das Schlimmste: man muss sich ein (in diesem Fall eher ödes) Spiel komplett anschauen, obwohl es einen dauernd juckt nachzuschauen, ob denn wenigstens noch ein Tor fällt oder nicht, im ständigen Wissen, dass alles schon gelaufen ist und das Ergebnis nur einen Klick entfernt ist. Immerhin, das soll nicht unerwähnt bleiben, kann man das Gelaber vor dem Spiel samt dämlicher Gewinnspiele leicht überspringen und auch die Halbzeitpause ist in wenigen Sekunden überbrückt – ein nicht zu verachtender Vorteil des zeitversetzten Guckens. In der zweiten Halbzeit hatte ich dann doch noch einen authentischen Live-Moment, denn exakt drei Sekunden, bevor das einzige Tor des Spiels fiel, klingelte das Telefon und ich war lange genug abgelenkt, um das Tor im Live-Bild zu verpassen. Klar, man kann nochmal zurückspulen oder sich eine der zahlreichen Wiederholungen anschauen, aber dieser kostbare Moment, in dem sich plötzlich eine Chance ergibt und erfolgreich abgeschlossen wird, war natürlich unwiederbringlich verloren.
Wenn ich irgendwann mal wieder ein Spiel „live on tape“ anschauen sollte (die heutige Begegnung gegen Aserbaidschan sicher nicht), muss zu den üblichen Vorkehrungen also auf jeden Fall noch jegliche externe Störung während des Guckens ausgeschlossen werden. Andererseits ist es im Vergleich zu diesem Aufwand wahrscheinlich leichter, sich einfach an einem anderen Abend zu verabreden und das Spiel „live live“ anzusehen.
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