Bleidenstadt und das Elfmeterschießen
Seit einiger Zeit spiele ich wieder aktiv Fußball oder zumindest so etwas ähnliches, jedenfalls renne ich ein bisschen rum und trete ab und zu mal gegen den Ball, nicht im Verein, sondern in privater Runde. Macht mir auf alle Fälle deutlich mehr Spaß als nur zu joggen oder anderen eintönigen Leibesertüchtigungen nachzugehen. In diese donnerstägliche Kickrunde kam ich über ein paar Jungs, mit denen ich seit Jahren in der Brita-Arena zusammenstehe und die mir das allzu häufig frustrierende Stadionerlebnis nicht nur erträglicher machen, sondern oft auch der einzige verbliebene Grund sind, überhaupt noch hinzugehen. Die meisten kommen aus Taunusstein und sind nicht zu Unrecht Mitglied bei den „Weher Originalen“, während ich ja erst mit dem Umzug nach Wiesbaden Anhänger des SV Wehen (bzw. ab dann SV Wehen Wiesbaden) wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kickerei drüben in Taunusstein, genauer gesagt in Bleidenstadt, stattfindet. Für die Leser, die mit den hiesigen geographischen Verhältnissen nicht ganz vertraut sind: Bleidenstadt ist, wie Wehen, ein Stadtteil von Taunusstein und etwa 10-15 Autominuten von Wiesbaden entfernt.
Beim gestrigen Kicken – bzw. beim Bier danach – war natürlich auch das DFB-Pokalhalbfinale zwischen Bayern und Dortmund ein Thema, vor allem das groteske Elfmeterschießen, bei dem bekanntlich Bayern das Kunststück schaffte, alle vier Elfmeter zu verschießen. Einer meiner Mitspieler berichtete, beim kicker gelesen zu haben, dass zuvor erst ein einziges Mal in der Geschichte des DFB-Pokals eine Heimmannschaft im Elfmeterschießen keinen einzigen Treffer erzielen konnte, nämlich der FC Homburg in der Saison 1974/75. Der damalige Gegner war der TSV Bleidenstadt, was bei uns allen für großes Staunen sorgte, denn die „großen Zeiten“ des Vereins haben wir, die wir überwiegend so um die 40 Jahre alt sind, nicht miterlebt. Ungeklärt blieb aber am gestrigen Abend mangels ausreichender Mobilfunkabdeckung die Frage, gegen wen Bleidenstadt damals in der nächsten Pokalrunde spielte.
Das habe ich heute nachgeschaut, es war der SC Jülich, wo nach einem 2:4 Endstation war, aber viel interessanter fand ich dabei die besagte Partie gegen Homburg, denn es war nicht nur eine, sondern zwei. Nachdem das erste Spiel nach Verlängerung 0:0 geendet hatte, gab es zwei Wochen später ein Wiederholungsspiel, was ebenfalls torlos endete. Erst dann kam es zu diesem denkwürdigen Elfmeterschießen, das 2:0 für Bleidenstadt ausging. Allerdings lauteten, so denn die Angaben bei fussballdaten.de stimmen, beide Partien TSV Bleidenstadt gegen Homburg, und auch Wikipedia behauptet, dass es sich beide Male um Heimspiele für Bleidenstadt handelte. Laut kicker war aber der FC Homburg, zumindest in der zweiten Partie mit dem Elfmeterschießen, der Gastgeber – wer hat nun Recht? Aufklärung liefert (vermutlich) weltfussball.de, denn dort wird tatsächlich der FC Homburg als Heimverein aufgeführt – Spielort war aber das Stadion an der Berliner Straße in Wiesbaden (der heutige Helmut-Schön-Sportpark, direkt neben der Brita-Arena). Das wirft natürlich weitere Fragen auf: Wieso wurde das zweite Spiel nicht in Homburg ausgetragen? Oder wurde für das Entscheidungsspiel ein neutraler Platz gefordert – aber warum dann Wiesbaden? Reine Großzügigkeit der Homburger?
Mich würde das wirklich interessieren, also liebe Leser, falls Ihr damals dabei wart oder Fußballhistoriker seid oder die entsprechenden kicker-Ausgaben aus dem November 1974 auf dem Dachboden liegen habt – bitte meldet Euch im Kommentarbereich!
Laut „Deutsche Pokalgeschichte“ von Matthias Weinrich und Hardy Grüne verzichtete Homburg im Wiederholungsspiel (übrigens auch im ersten Duell) auf das Heimrecht.
Hallo Ralf,
besten Dank für die Info, wirklich interessant!
Sehr nett von Homburg, denn das waren die einzigen Partien, in denen Bleidenstadt im Pokal jemals Heimrecht hatte.
Es war ja kein Entscheidungsspiel, sondern ein Wiederholungsspiel. Welches zwar das entscheidende Spiel war, aber eben den in diesem Wettbewerb gängigen Namen Wiederholungsspiel trug. Sofern ich mich nicht täusche, ungeprüft jetzt hier zum Besten gegeben.
Ansonsten: nett, dass der Herr wieder kickt, noch netter, das hier zu erfahren.
Jau, hast Recht, da war ich etwas schlampig in der Formulierung. Vorher habe ich ja korrekterweise Wiederholungsspiel geschrieben, vermutlich wollte ich nicht den gleichen Begriff mehrmals kurz hintereinander verwenden.
Mein Name H.Hollinger habe damals den Elfmeter geschossen der zum 1:0 gefuehrt hat.Den 2 Elfer schoss WilliReichert sodas wir
eine Runde weiterkamen.H.Brzobohaty unser
Torwart hielt von Homburg 4 Elfmeter.Es hat
geregnet in Strömen.
Hallo Herr Hollinger, toll, dass Sie sich hier melden und Glückwunsch zu ihrem damaligen Erfolg!
Können Sie sich zufälligerweise noch daran erinnern, warum der FC Homburg auf sein Heimrecht verzichtete?
Wegen mangelndemZuschauerinteresse
verzichtete der Fc Homburg auf sein Heimrecht.Im ersten Spiel in Bleidenstadt
waren mitten in der Woche 1600Zuschauer.
In Wiesbaden 14 Tage später 2000.Es hat
beim Elfmeter schiessen nicht geregnet ,sondern regelrecht geschuettet Brzobohaty unser Torwart hielt 3 Elfmeter
Es war ein tolles Erlebnis die Hauprunde im
DFB Pokal zu erreichen .
Wegen mangelndem Interesse in Homburg.
Ausserdem wollten sie auf Rasen spielen und nicht mehr auf einem Hartplatz .
Homburg verzichtete auf dad Heimrecht aus finanziellen Gründen.Ausserdem wollten sie auf Rasen spielen und nicht auf einem Hartplatz wie in Bleidenstadt.Es wsren immerhin bri Regen 2000; Zuschauer.
Der FC Homburg hat im ersten Spiel nicht auf sein Heimrecht verzichtet, sondern dankenswerterweise zugesagt, auf „unserem“ Hartplatz zu spielen. Sonst hätte der TSV Bleidenstadt im Wiesbadener Stadion spielen müssen. Das Wiederholungsspiel fand in Wiesbaden statt, da der FC Homburg im eigenen Stadion kein Flutlicht hatte (heute undenkbar). Daher hatte der FC Homburg offiziell das Heimrecht, spielte das Spiel aber dann im Stadion Wiesbaden. Damals war es auch so, das gespielt wurde wie ausgelost worden ist, d. h. der Amateurverein hatte kein Heimrecht, sondern mußte auswärts antreten. Das war übrigens auch 1977/78 noch so, als der TSV Bleidenstadt das zweite Mal in der DFB-Pokalhauptrunde teilgenommen hat. Die erste Pokalhauptrunde wurde beim Zweitligisten SG Wattenscheid, wegen Umbauarbeiten im Lorheidestatdion wurde die Partie im Bochumer Ruhrstadion ausgetragen (Wattenscheid ist ein Stadtteil von Bochum). Der Viertligist TSV siegte sensationell .2:1 nach Verlängerung. Drei Wochen später wurde das Spiel der zweiten Pokalhauptrunde ausgetragen. Der TSV mußte wieder auswärts, beim Bundeligisten FC Schalke 04 antreten. Schalke, mit sieben Nationalspielern, gewann 8:1.
Vielen Dank für die Erläuterung! Jetzt haben wir die ganze Geschichte beisammen, denke ich. 🙂
Habe heute gelesen was ein Bruder geschrieben hat.Es war sicherlich so.
In dieser Zeit war der TSV Bleidenstadt
der ranghöchste Verein.Der SV Wehen
spielte damals in der A Klasse.Ich kann mich noch erinnern weil ich selbst dabei war,das wir
gegen Wehen mal 10:1 gewonnen haben.Ist halt lange her.Der Aufschwung mit Wehen begann als Herr Hankammer Chef der Brita werke den Verein gesponsort hat.Leider gab es zu dieser Zeit keinen Sponsor für Bleidenstadt.Dies nachträglich zur Information.Wünsche Ihnen alles gute Gute
und bleiben sie gesund.
Dass der SV Wehen Mitte der 70er Jahre noch in der A-Klasse spielte und erst später dank der Unterstützung durch Heinz Hankammer den langen Weg bis in den Profibereich antrat, ist hier natürlich bekannt – und wurde auch in einem Buch gewürdigt. 🙂
Hallo Gunnar!
Sehr geehrter Herr Hollinger!
Ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für die Informationen über die historische Pokalbegegnungen zwischen dem TSV Bleidenstadt und dem FC Homburg bedanken, die ich hier im Blog gefunden habe! Ich bin Historiker und Archivar und recherchiere für einen Artikel oder längeren Aufsatz über die Geschichte der Elfmeterschießen im DFB-Pokal, der voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 veröffentlicht werden soll (zum 250. Eltmeterschießen in diesem Wettbewerb, im Moment sind wir bei 244).
Ich habe noch ein paar Fragen (s. unten) und würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen könnten.
Das Elfmeterschießen zwischen Bleidenstadt und Homburg war aus mehreren Gründen etwas ganz Besonderes.
1) Bis zum Abschaffung der Wiederholungsspiele gab es von 1970 bis 1991 insgesamt nur 19 Eltmeterschießen im DFB-Pokal
2) Bleidenstadt war in diesen 21 Jahren der einzige Viertligist, der ein Elfmeterschießen gewann.
3) Ein 2:0 im Elfmeterschießen ist sehr selten.
Das Elfmeterschießen zwischen Bleidenstadt und Homburg zählt zu den acht Elfmeterschießen im DFB-Pokal, für die es am schwersten ist, vollständige Informationen zu bekommen. Dank Ihres Blogs weiß ich bereits die Namen beider Torschützen und den Namen von Horst Brzobohaty des großen Helden dieses 12.11.1974. Ich weiß auch, dass Horst Brzobohaty drei oder vier Strafstöße der Homburger gehalten hat und dass es während des Elfmeterschießens fürchterlich geschüttet hat. Das alles sind ganz wichtige Ergänzungen zu dem, was ich schon wusste (Datum, Ergebnis, Nachnamen aller Spieler beider Teams, Ort, Name des Schiedsrichters).
Meine Fragen:
Ist noch bekannt/in Erinnung …
a) Wer (welches Team) den ersten Elfmeter des Elfmeterschießens ausführen durfte?
b) Wieviele Fehlversuche der TSV Beidenstadt hatte?
c) Ob das 11m-Schießen durch ein Tor der Bleidenstädter odere durch einen gehaltenen (bzw. verschossenen) der Homburger entschieden wurde?
d) Wie die Abfolge der Tore bzw. Fehlversuche war?
also z.B. 1 0 0 0 1 0 0 0 oder 0 1 0 1 0 0 0
Homburg muss bei einem Ergebnis von 2:0 vier Fehlversuche gehabt haben. Es erscheint gut denkbar, dass Horst Brzobohaty drei Elfer gehalten hat und die Homburger einmal daneben geschossen haben.
Mit herzlichen Grüßen aus Berlin!
Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gesundheit!!
Und dem SV Wehen Wiesbaden einen erfolgreichen Abschluss dieser „verrückten“ Saison.
Jens Müller
Hallo Jens,
ich selbst kann da natürlich nichts direkt beitragen, aber ich habe die beiden Herren Hollinger angeschrieben, vielleicht können sie noch die gesuchten Informationen ergänzen.
Viele Grüße!
Alfred Hollinger:
Hallo, sehr gerne beantworte ich die Fragen. Aber zuerst einmal noch eine kleine Anekdote zum ersten Spiel zwischen dem TSV Bleidenstadt und dem FC Homburg auf dem Hartplatz in Bleidenstadt. Damals gab es wohl noch keine festen Schirigespanne. Schiederichter war ein Herr Porta aus Höllen/NRW. Es kamen aber keine Linienrichter, so dass aus den Zuschauern die zwei ranghöchsten Schiedsrichter (Gerstenberger (SG Orlen) und Köhler (SV Bechtheim)) mit TSV Trainingsanzügen ausgestattet wurden und als Linienrichter gewunken haben.
Dieses Spiel fand am Samstag, 26.10.1974 statt.
Noch kurz: In vielen Archiven wird das Spiel der ersten Pokalrunde zwischen dem FC Rodalben und dem TSV Bleidenstadt mit 0:1 n. V. geführt. Dies lag wohl daran, dass das Spiel in die Verlängerung ging und die Journalisten das Ergebnis schon vor Ende der Partie weitergeleitet haben.
Das Spiel FC Rodalben gegen TSV Bleidenstadt endete aber 1:2 (0:0, 0:0) n. V.
Torfolge: 0:1 (96.) Norbert Schulz, 0:2 (107) Reichert; 1:2 Kiefer (117.)
Schiedsrichter: Luka (Luisental)
Zuschauer: 800
Jetzt zitiere ich aus den mir vorliegendenZeitungsauschnitten (Wiesbadener Kurier und Wiesbadener Tagblatt):
„Das DFB-Pokal Wiederholungsspiel (zweite Hauptrunde) zwischen dem Zweitbundesligisten FC Homburg (Saar) und dem Gruppenligavertreter TSV Bleidenstadt wird am Dienstag, 12.11.1974 (19:30 Uhr) in Wiesbaden, im Stadion an der Berliner Straße ausgetragen. Die Homburger verzichten damit auf ihr Heimrecht, da sie nicht über eine Flutlichtanlage verfügen und dieser Termin beiden Mannschaften entgegenkommt (Anm.: Da dies ein Pflichtspiel ist, wurde das Spiel für den gesperrten Homburger Spieler Ludwig als ein Spiel seiner Sperre gewertet). Auch dies war ein Grund für die Austragung des Spiels in Wiesbaden. Es ist als Heimspiel für den FC Homburg zu werten.
Ich zitiere weiter aus der Zeitung:
„Den ersten Elfmeter von Diener (FCH) parierte Brzobohaty (TSV), während Reichert (TSV) verwandelte. Lenz (FCH) scheiterte ebenfalls am TSV-Schlußmann. Helmut Hollinger (TSV) machte es besser: Es stand 2:0 für den TSV. Damms (FCH) Elfmeter wurde ebenfalls vom TSV Torhüter gehalten. Rudi Schloßbauer (TSV) hat den Elfmeter vorbeigeschossen.
Reinders (FCH) setzte seinen Elfmeter neben das Tor. Der TSV Bleidenstadt hatte die Sensation perfekt gemacht!“
Zu a) Der FC Homburg durfte den ersten Elfmeter ausführen
Zu b) Der TSV Bleidenstadt hatte einen Fehlversuch (der dritte Elfmeter wurde neben das Tor geschossen)
Zu c) das Elfmeterschießen wurde durch den vierten verschossenen Strafstoß des FC Homburg entschieden. Reinders schoß neben das Tor. Zuvor hatte Torhüter Brzobohaty (TSV) drei Elfmeter gehalten.
Zu d) FCH 0 TSV 1; FCH 0 TSV 1; FCH 0 TSV 0; FCH 0 TSV mußte nicht mehr Schießen
Ich denke, dass damit die Frage sehr ausführlich beantwortet wurden. Natürlich stehe ich für weitere Fragen gerne zur Verfügung. Ich kann natürlich auch Jederzeit auch die Zeitungsausschnitte von unseren beiden DFB-Pokalteilnahmen 1974 und 1977 zur Verfügung stellen.
Bitte melden, ich würde es dann per Mail zusenden.
Liebe Grüße
Alfred Hollinger
Sehr geehrter Herr Hollinger!
Ganz herezlichen Dank für die ausführlichen Informationen und die Beantwortung aller meiner Fragen. Ich freue mich sehr darüber, Sie haben mir sehr geholfen! Im Moment habe ich keine weiteren Fragen. Falls es tatsächlich zu einer Veröffentlichung kommt, werde ich den TSV natürlich entsprechend würdigen und mich dann bei Ihnen melden.
Mit herzlichen Grüßen,
Jens Müller
P.S.: Das Ergebnis des Erstrundenspiel Rodalben gegen Bleidenstadt ist mittlerweile auf dem meisten Internetseiten (Wikipedia, Kicker, fussballdaten.de) richtig wiedergegeben. Ausgerechnet im „Datencenter“ des DFB steht aber weiterhin 0:1 n.V. Das zeigt, dass man bei allen Fussball-Datensammlungen immer damit rechnen muss, dass (einzelne) Fehler enthalten sind.
Finde es toll,das sich jemand die Arbeit macht nach so vielen Jahren.Wollte noch erwähnen,das damals die Spieler
aus den eigenen Reihen kamen.Wir kamen fast alle aus der Jugend.Ausser
dem Trainer wohnten auch alle in Taunusstein.Wir hatten auch einen tollen Zusammen halt.Leider sind aus
dieser Zeit 4 Spieler von uns gegangen.