Die Wehenschau (KW 12/2021)
Vor kurzem hatten wir angesichts der anspruchsvollen Aufgaben bis zur Länderspielpause die „Wochen der Wahrheit“ ausgerufen. Nun, vier Niederlagen später ist die Wahrheit recht eindeutig und lautet, dass der SV Wehen Wiesbaden ein weiteres Jahr in der 3. Liga spielen wird. Zum Teil liegt die aktuelle Ergebniskrise sicher darin begründet, dass dem SVWW das Spielglück etwas abhanden gekommen ist, was man bei der vorangegangenen Siegesserie noch auf seiner Seite hatte. Auf knappe, teils glückliche Siege folgten nun eben knappe, teils unglückliche Niederlagen. Aber beim Stichwort „Glück“ wird häufig darauf verwiesen, dass man sich dieses auch erarbeiten könne. Das war vorher sicherlich auch in der einen oder anderen Partie der Fall, während man zuletzt zwar möglicherweise unglücklich, aber nicht unbedingt unverdient verloren hat. Insbesondere in der Offensive fehlte mir der klare Plan, wie man zu Torchancen kommen will, aber auch im Defensivverbund ging einfach zu oft ein entscheidender Zweikampf verloren. Möglicherweise haben die Gegner auch einfach die Spielweise des SVWW analysiert, sich gut darauf eingestellt und ihn so seiner Stärken beraubt. Da kommt die spielfreie Woche vielleicht gerade recht, um einerseits an den von Rüdiger Rehm oft zitierten „Basics“ zu arbeiten, aber auch um an neuen Ideen im Offensivspiel zu feilen. Nach der Absage von Eintracht Frankfurt für das eigentlich für gestern geplante Testspiel hat man anscheinend keinen anderen Gegner gefunden, sodass man sich voll auf die Trainingsarbeit konzentrieren kann.
Bei aller Enttäuschung über das verhältnismäßig frühe Abhaken des (zumindest heimlichen) Saisonziels „direkter Wiederaufstieg“ muss man sich aber auch mal kurz darauf besinnen, dass Wehen insgesamt keine schlechte Saison spielt. Auch wenn ich mich wiederhole, aber vor der Saison hatte ich ja eher die Befürchtung, dass es nach dem Abstieg und dem sehr großen Umbruch im Kader deutlich länger dauern würde, bis man sich findet und bis dahin eher in der unteren Tabellenhälfte herumdümpelt. Und wenn man erst mal unten drinsteckt, bekommt sowas häufig genug eine negative Eigendynamik – Beispiele gerade in der stets engen 3. Liga gibt es zur Genüge. Von daher ist es allemal schon ein Erfolg, dass man fast die ganze bisherige Saison in der oberen Tabellenhälfte verbracht hat, zeitweise mit direktem Kontakt zu den Aufstiegsplätzen und immer noch mit der Chance auf den erneuten Einzug in den DFB-Pokal. In der Mannschaft sind eine ganze Reihe junger Spieler mit Potential, wobei freilich einige davon nur ausgeliehen sind. Maurice Malone wird man sicherlich nicht ein weiteres Jahr in der 3. Liga halten können, aber bei ein paar anderen ist das durchaus vorstellbar. Kevin Lankford sucht für seine Hamburger Wohnung gerade einen Nachmieter, eventuell bahnt sich in seinem Fall eine feste Verpflichtung an. Dass sowas funktioniert – also einen Spieler auszuleihen, der gut genug ist, dass man ihn behalten möchte, aber nicht so gut, dass sein Stammverein ihn unbedingt zurück will – hat man zuletzt bei Jakov Medić oder vor ein paar Jahren bei Max Dittgen gesehen. Jedenfalls bin ich recht guter Dinge, dass man auf Basis des aktuellen Kaders und mit einigen gezielten Verstärkungen in der kommenden Saison richtig angreifen kann. Allerdings könnte es weitere Abgänge zusätzlich zu auslaufenden Verträgen geben, wie Geschäftsführer Nico Schäfer in der FAZ andeutet. Wen das betreffen könnte, ist mir spontan allerdings nicht klar.
Mit der Kaderplanung zur nächsten Saison nichts mehr zu tun haben wird Daniel Ebbert, bisher Chef der Scouting- und Analyse-Abteilung. Er wechselt ab sofort zum niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim, wo mit Trainer Thomas Letsch, Co-Trainer Jan Fießer (in der Saison 2010/11 Spieler beim SVWW) und Sportdirektor Johannes Spors bereits einige Deutsche arbeiten. Letsch wird übrigens von der Agentur fair-sport (aus dem Sonnenhof/Ferber-Universum) vertreten, die auch Rüdiger Rehm und einige Wehener Spieler berät, aber das nur am Rande. Ein Nachfolger für Ebbert wurde noch nicht benannt.
Noch eine Neuigkeit von Vereinsseite: Am 14. April lädt der SVWW wieder zu einem virtuellen Fantreffen ein, bei dem sich Nico Schäfer, Sascha Mockenhaupt und Johannes Wurtz den Fragen stellen werden (Anmeldung erforderlich).
Stichwort Fans: In Rostock durften im Rahmen eines Pilotprojekts beim letzten Spiel 700 Zuschauer ins Stadion, beim nächsten Spiel möchte man bis zu 3.000 Leute reinlassen. Auch in Saarbrücken macht man sich Hoffnung, wieder vor einigen Zuschauern spielen zu dürfen. Aus Wiesbaden hat man noch nichts in dieser Richtung gehört, aber richtig viele Argumente dafür gibt es gerade auch nicht. Jedenfalls werden die beiden Länderspiele der Frauen-Nationalmannschaft in der Brita-Arena (am 10. April gegen Australien und am 13. April gegen Norwegen) wohl vor leeren Rängen ausgetragen, genauso wie vermutlich die restlichen Wehener Saisonspiele. Die noch nicht genau terminierten Spiele werden in Kürze feste Anstoßzeiten bekommen, nachdem dies gestern für die Bundesligen geschah.
Immerhin wird in den obersten drei Ligen noch gespielt, denn ab den Regionalligen abwärts gilt das ja nur sehr eingeschränkt. Die Regionalliga Nordost hat jetzt beschlossen, die Saison abzubrechen, womit Viktoria Berlin als Meister und Aufsteiger in die 3. Liga feststehen dürfte. Allerdings hat Viktoria noch kein drittligataugliches Stadion – man darf gespannt sein.