Die Zweieinhalb-Tage-Euphorie

Ja, es ist schon ein bisschen spät für eine Nachbetrachtung des Spiels SV Wehen Wiesbaden gegen Rot-Weiß Erfurt vom vergangenen Samstag, aber ich habe mich keinesfalls aufgrund der 0:1-Niederlage gedrückt, sondern war wegen österlicher Reisetätigkeit nicht viel früher in der Lage dazu. Das Spiel selbst habe ich ja leider verpasst und so manches Stichwort hat die Lokalpresse im Laufe der Woche auch schon verbraten. Konjunktiv beispielsweise. Den versuche ich hier meistens zu vermeiden, denn „Hätte, Wenn und Aber, alles nur blödes Gelaber“, wie schon der große Dichter Hermann Gerland wusste, aber in diesem Fall kommt man eigentlich nicht drumherum. Mit einem Sieg hätte man Erfurt schon so gut wie aus dem Aufstiegsrennen kegeln und sich selbst einen fast schon komfortablen 3-Punkte-Vorsprung auf den vierten Platz verschaffen können (dass zeitgleich Offenbach in Braunschweig verlieren würde, kam ja nicht ganz überraschend), ja selbst mit einem Unentschieden hätte man zumindest Erfurt auf Distanz halten können. Leider kam es anders, was gleich an mehreren Stellen äußerst ärgerlich ist, denn das Tor für Erfurt entsprang einer verunglückten Rettungsaktion von Benny Hübner, während auf der anderen Seite Nikolas Ledgerwood das leere Tor verfehlte und zu allem Überfluss einen klaren Elfmeter verwehrt bekam. Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass Erfurt die Möglichkeit zum 2:0 hatte, als (schon wieder) Ledgerwood auf der Linie den Ball abwehren konnte.

Nachdem wir uns letzte Woche also noch über den ersten Auswärtssieg seit Ewigkeiten und den damit verbundenen Sprung auf Platz 3 freuen konnten, ist die Euphorie schon wieder dahin und einer trotzigen „Es ist noch alles möglich“-Einstellung gewichen. Ist natürlich richtig, denn in der Tabelle geht es so eng zu, dass es fast nicht mehr zu steigern ist: Erfurt, Dresden und der SVWW alle mit 58 Punkten und nur durch die Tordifferenz getrennt (+19 vs. +15 vs. +14), direkt dahinter Offenbach mit 57 Punkten und +11 Toren.

Drei Spieltage gibt es noch und diese jetzt nur noch im Wochenrhythmus, wobei der SVWW zwischen dem vorletzten und letztem Spieltag noch das Hessenpokalfinale gegen Hessen Kassel in Marburg bestreiten darf. Angesichts der Bedeutung dieses Spiels (nämlich die Qualifikation zum DFB-Pokal) kann so eine englische Woche ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt schon zu einem gewissen Nachteil werden, aber so ist es nun mal, wenn man auf zwei Hochzeiten bis zum Schluss tanzen möchte (um hier mal eine gut abgehangene Phrase einzustreuen). Schauen wir mal auf das Restprogramm der vier Bewerber um den Relegationsplatz:

Erfurt: Regensburg (H), Ahlen (A), Aalen (H)
Dresden: Babelsberg (A), Burghausen (H), Offenbach (A)
Wehen Wiesbaden: Rostock (A), Koblenz (H), Werder II (A)
Offenbach: Jena (H), Heidenheim (A), Dresden (H)

So, jetzt kann man vortrefflich darüber diskutieren, wer das schwierigere Programm hat, aber man wird kaum zu einer eindeutigen Meinung kommen (mal ganz abgesehen davon, dass sich die Resultate eher selten daran orientieren, was wir Fans vorher so diskutieren). Wie man es auch dreht und wendet, es ist tatsächlich für alle Vier noch alles möglich von Platz 3 bis 6 (theoretisch sind sogar noch Platz 7 und 8 drin, aber das ist dann doch eher unwahrscheinlich). Offenbach und Dresden können schon heute Abend vorlegen, während Erfurt und der SVWW dann morgen nachziehen müssen. An den letzten beiden Spieltagen finden alle Spiele jeweils gleichzeitig statt.

Warten wir’s also ab und unterstützen unser Team so gut wir können. Für diejenigen Fans, die sich morgen auf den weiten Weg nach Rostock machen: Gebt alles und bringt drei Punkte mit!

Und mein lieber Björn Ziegenbein, Du hast es Deinem Ex-Trainer schon im Hinspiel gezeigt und Ihr seid doch auch schon aufgestiegen, also sei so nett und schieß morgen bitte kein Tor. Danke.

Zum Schluss möchte ich noch kurz erwähnen, dass ich es bedaure, dass Flo Hübner den SVWW nach der Saison verlassen wird. Sicher, auch ich war manchesmal nicht gerade begeistert von seinen Leistungen und eher verwundert, dass er schon mehrmals in die U20-Nationalmannschaft berufen wurde, aber man darf nicht vergessen, dass der Junge gerade erst 20 Jahre alt ist und noch Steigerungspotential hat. Wenn man schon mal ein echtes „Eigengewächs“ im Profikader hat (ansonsten ja nur noch Florians Bruder Benny), sollte man vielleicht auch etwas mehr Geduld haben als bei „fertig“ hinzugeholten Spielern. Finde ich zumindest. Aber vielleicht will ja auch der Spieler selbst weg, wie es Gino Lettieri andeutete, wobei das sicherlich auch mit seinen Perspektiven (oder dem Mangel daran) zu tun hätte. Wie auch immer, schade ist es so oder so.