Die Wehenschau (KW 36/2022)

Der SV Wehen Wiesbaden möchte die Zweitverein-Kampagne offensichtlich nicht beerdigen, wie von Teilen der Fanszene gefordert. Stattdessen postet man in den sozialen Medien neue Kacheln, die ein wenig so wirken, als wollte man die vermurkste Grundidee mit einem dezent durchgestrichenen „Zweit“ und ein bisschen Anbiederung an die Fanszene retten. Einmal heißt es „Natürlich sind wir für die, die unseren Verein leben und lieben, kein Zweitverein.“ – und mir fällt als erstes der Refrain eines alten Hits von Das Bo ein: „‚Türlich, ‚türlich – sicher, Dicker“. Auch der zweite Satz „Aber wir müssen und möchten auch die Tür aufmachen für diejenigen, die keine Fans der ersten Stunde sind.“ klingt reichlich krude – wenn das eine Agentur geschrieben hat, würde ich mein Geld zurückverlangen. Als ob hier jemals Interessierte am Stadion abgewiesen wurden, weil sie nicht schon immer dabei gewesen seien. Im nächsten Posting taucht dann plötzlich das Wappen des e. V. auf, was sonst nie in der Kommunikation verwendet wird – eine ausgestreckte Hand in Richtung der Ultras, die ebenfalls gerne das alte Wappen verwenden? Insgesamt kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Marketing-Abteilung im Krisenmodus angekommen ist und mit ihren Rettungsmaßnahmen alles nur noch schlimmer macht. Vor den nächsten Stufen habe ich jetzt schon etwas Angst.


Dabei könnte es eigentlich gerade ganz schön sein als SVWW-Fan (egal, ob man diesen als Erst- oder Zweitverein betrachtet), denn sportlich steht die Mannschaft von Markus Kauczinski besser da, als manche vor der Saison erwartet haben. Auch nach den beiden Auswärtsspielen bei den Aufstiegskandidaten Ingolstadt und Saarbrücken gilt weiterhin, dass man in jedem Spiel nicht nur mithalten kann, sondern meistens sogar die bessere Mannschaft war. Wenn man die Effizienz vorne wie hinten etwas erhöhen kann, also von den meistens vielen eigenen Chancen noch etwas mehr in Tore umwandelt und von den meistens wenigen gegnerischen Chancen noch etwas weniger zu Gegentoren führen, dann könnte sich der SVWW tatsächlich in der Spitzengruppe festsetzen. Nach den beiden kommenden Spielen gegen Freiburg und in Mannheim – also schon wieder gegen direkte Konkurrenten – wird ein guter Zeitpunkt für ein erstes Zwischenfazit sein.


Nach diesen beiden Spielen ist eine Länderspielpause im Kalender, die man eigentlich gut mit dem Hessenpokal-Achtelfinale füllen könnte. Heute Abend beginnt die 2. Runde mit der Partie Germania Wiesbaden gegen TSV Höchst (Anpfiff 19:30 Uhr im Stadion an der Waldstraße), nächste Woche folgen die restlichen Spiele. Wann genau die Auslosung für die folgende Runde stattfindet und welche Spieltermine dafür vorgesehen sind, ist mir leider noch nicht bekannt. Das (für den SVWW) freie Wochenende um den 24. September wird es aber wohl nicht werden, da die Hessenliga dann nicht pausiert. Vermutlich wird es wieder ein nasskalter Mittwochabend im November werden. Türk Gücü Friedberg ist übrigens auch noch im Wettbewerb…


Noch ein kurzer Blick auf ein paar ehemalige SVWWler, die diese Woche (vielleicht) im Europapokal spielen:

  • Robert Andrich gab gestern Abend sein Debüt in der Champions League. Das ging zwar verloren, aber für ihn persönlich war es zweifellos ein besonderer Moment.
  • Kofi Kyereh könnte für Freiburg heute Abend gegen Qarabag Agdam zu seinem ersten Einsatz in der Europa League kommen, allerdings höchstwahrscheinlich nicht in der Startelf.
  • Royale Union Saint-Gilloise spielt ebenfalls heute Abend in der Europa League bei Union Berlin, aber Gustaf Nilsson fehlt weiterhin wegen einer Muskelverletzung.

Nicht international, aber kaum weniger aufsehenerregend verläuft Sidney Friedes zweite Karriere in der Kreisliga.


Was, wann, wo: 3. Liga, 8. Spieltag, Samstag, 10. September, 14:00 Uhr, zuhause gegen den SC Freiburg II

Der Gegner: Die letzte Saison schloss Freiburgs zweite Mannschaft als Aufsteiger relativ unauffällig als 11. ab. In diese Spielzeit ist man stark gestartet und hat schon fünfmal gewonnen, wobei der Sieg letzte Woche gegen Ingolstadt ein Paradebeispiel dafür ist, dass zweite Mannschaften nicht in die 3. Liga gehören: gleich drei Profis aus dem Bundesligakader, darunter Kofi Kyereh, holten sich in der Reserve Spielpraxis. Rüdiger Rehms Freude über das Wiedersehen mit Kofi dürfte daher etwas verhaltener gewesen sein. Freiburg hat (gemeinsam mit Saarbrücken) bisher die wenigsten Gegentreffer zugelassen, nämlich vier in sieben Spielen.

Die letzten Begegnungen: In der letzten Saison gewann der SVWW in der Brita-Arena kurz vor Weihnachten 2:0, das Hinspiel in Freiburg am 1. Spieltag endete 0:0.

Der Direktvergleich geht somit 1-1-0 für den SVWW aus, denn die beiden genannten Spiele waren die ersten zwischen den beiden Mannschaften.

Personelles: Sollte sich der Verdacht auf Muskelfaserriss bei Carstens bestätigt haben, wird er wohl ein paar Wochen fehlen. Von den anderen Rekonvaleszenten gab es bis Redaktionsschluss keine Neuigkeiten, vermutlich fehlen Jacobsen, Kempe und Bauer weiterhin. Während sich die Abwehrreihe damit quasi von alleine aufstellt, könnte man vorne oder außen vielleicht mal etwas rotieren. Ich bin gespannt.

Aufstellungstipp: Stritzel – Mockenhaupt, Reinthaler, Gürleyen – Goppel, Mrowca, Taffertshofer, Brumme – Wurtz, Hollerbach – Iredale

Nach dem Spiel wird der SVWW auf Platz 4 bis 10 stehen.

Sonst noch interessant: Die Partien Elversberg (2.) gegen 1860 München (1.), Ingolstadt (8.) gegen Mannheim (4.) und Duisburg (9.) gegen Dresden (7.).


Nachwuchs: U19, U17 und U15 sind jeweils mit einem 1:1 in die Saison gestartet, nur die U16 konnte gewinnen. Am kommenden Wochenende steigen auch die unteren Jahrgänge in die Saison ein.

Linktipp: Im Podcast „Rheingehört“ des Wiesbadener Kurier wird in der aktuellen Folge über den SVWW gesprochen.