Die Wehenschau (KW 22/2024, Teil 2)

Fangen wir heute mal ganz ohne Umschweife mit dem persönlichen Teil ein: ich habe keine Lust. Keine Lust auf den SV Wehen Wiesbaden, keine Lust auf Fußball generell, keine Lust auf Blog und Podcast und ganz besonders habe ich keine Lust auf die 3. Liga. Wahrscheinlich ist das einfach noch eine Phase der Frustbewältigung nach dem Abstieg und möglicherweise bin ich bis zum Saisonstart auch wieder im Angriffsmodus, freue mich aufs Stadion und setze mich stundenlang in einen Bus zu irgendeinem belanglosen Auswärtskick. Vielleicht mache ich aber auch ein Sabbatical, fahre höchstens mal zu einem Hessenpokalspiel und lasse den ganzen Mist ansonsten nicht so nah an mich ran. Mal schauen.

Was ich tatsächlich sehr schön fand, waren die zahlreichen netten Kommentare und sachlichen Beiträge zum letzten Spielbericht. Sollte es mit dem Stehblog wie bisher weitergehen, würde ich mir das öfter wünschen. Die Hoffnung, dass sich das Ganze hier auf mehrere Köpfe verteilt, habe ich zwar mittlerweile aufgegeben, aber vielleicht lässt sich wenigstens die Interaktion mit der Community ausbauen.


Und damit zum SVWW. Nach jeder Saison gibt es zahlreiche personelle Veränderungen und nach einem Abstieg gilt das umso mehr. Fangen wir mit den Funktionären an. Klar war, dass man nach dem plötzlichen Abgang von Paul Fernie einen neuen sportlichen Leiter benötigt. Diesen hat man in Uwe Stöver gefunden, der bereits 2007 bis 2009 beim SVWW als Sportgeschäftsführer fungierte (und somit weiß, wie es ist, mit dem SVWW einen Klassenerhalt in der 2. Bundesliga zu feiern). Nach einigen Stationen bei diversen Zweit- und Drittligisten war er zuletzt bei Holstein Kiel tätig und so schließt sich mit Stövers Rückkehr zum SVWW nicht nur ein Kreis, sondern es ist auch der Ringtausch von Managern zwischen Holstein Kiel, Darmstadt 98 und dem SVWW perfekt. Kleine Fußballwelt. Stöver wird übrigens – anders als zuvor Fernie – Mitglied der Geschäftsführung, Nico Schäfer fungiert ab sofort als Vorsitzender (zuvor Sprecher) der Geschäftsführung, während Paul Spechts Rolle als Verantwortlicher für die Finanzen unverändert bleibt. Interessanterweise wird Markus Klepzig in der Mitteilung nicht erwähnt, der ja erst kürzlich als Mitglied der Geschäftsleitung für den Bereich Strategie und Unternehmensentwicklung engagiert wurde. Offenbar ist Geschäftsführung und Geschäftsleitung nicht deckungsgleich, Klepzig somit im Organigramm eine Ebene unterhalb von Schäfer/Stöver/Specht angesiedelt.

Was die Position des Cheftrainers angeht, gibt es noch nichts Neues. Aktuell kann ich mir nicht vorstellen, dass man mit Nils Döring die Mission Wiederaufstieg angeht, aber tatsächlich habe ich keine Ahnung, was Schäfer & Co. planen. Warten wir es ab.

Viel Bewegung gibt es hingegen schon im Spielerkader. Am Tag nach dem Abstieg wurden sieben Spieler mit auslaufenden Verträgen verabschiedet. Robin Heußer hätte man sicherlich sehr gerne behalten, aber man braucht nicht viel Fantasie, sich ihn demnächst bei einem ambitionierten Zweitligisten wie Hertha BSC, dem Hamburger SV oder gar einem Erstligisten wie dem 1. FC Heidenheim vorzustellen. Auch bei den beiden Leihspielern Hyunju Lee und Lasse Günther hätte man wohl höchstens als Zweitligist eine Chance auf Weiterbeschäftigung gehabt, aber 3. Liga müssen sie sich wohl nicht antun. Keanan Bennetts, John Iredale, Kianz Froese und Julius Kade hingegen konnten nicht nachhaltig überzeugen (auch wenn das eine oder andere Highlight dabei war), sodass man es auf diesen Positionen lieber mit neuem Personal versuchen wird. In den nächsten Tagen oder Wochen wird es mit Sicherheit auch ein paar Abgänge von Spielern geben, die noch laufende Verträge haben. Allen voran Ivan Prtajin wird nicht zu halten sein. Angeblich sind Vereine wie der Hamburger SV oder Schalke 04 interessiert und diese wären wohl auch in der Lage, die vertraglich vereinbarte Ablösesumme zu bezahlen. Diese lag Berichten zufolge in der 2. Bundesliga noch bei zwei Millionen Euro, reduziert sich durch den Abstieg aber auf eine Million. Auch bei Spielern wie Florian Stritzel, Aleksandar Vukotic und Marcus Mathisen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sie den Gang in die 3. Liga mitgehen. Andererseits wäre der Verein wahrscheinlich nicht unglücklich, wenn sich ein Interessent für Antonio Jonjic meldet, der in der gesamten Saison nicht wirklich Fuß fassen konnte.

Neuzugänge gibt es auch schon ein paar. Ivan Franjic von den Würzburger Kickers wurde ja schon vor ein paar Wochen vermeldet, nun wurden auch Tarik Gözüsirin (Mittelfeld, VfB Lübeck) sowie Ole Wohlers (Angriff, Teutonia Ottensen) vorgestellt. Man kann davon ausgehen, dass in den nächsten Tagen weitere Transfers finalisiert werden, die bereits seit längerer Zeit verabredet sind.

Franjic wollte sich aus Würzburg mit dem Aufstieg in die 3. Liga verabschieden und hat auch einiges dafür getan. Im Hinspiel des Aufstiegs-Playoffs gegen Hannover 96 II traf er im Hinspiel per Freistoß zum 1:0-Endstand, im Rückspiel verwandelte er in der Verlängerung einen Elfmeter zum 2:3, wodurch ein Elfmeterschießen entscheiden musste. Auch dort behielt Franjic die Nerven, aber Würzburg verlor dennoch mit 4:5. Auf der anderen Seite hatte Brooklyn Ezeh (nach Vorlage des zweiten ehemaligen SVWWlers Tim Walbrecht) das 1:0 erzielt und ebenfalls im Elfmeterschießen getroffen.


Damit werfen wir mal einen ersten Blick auf die kommende Saison. Das Teilnehmerfeld der 3. Liga ist nunmehr komplett, aber auf eine detaillierte Betrachtung will ich mich noch nicht einlassen, das zieht mich zu sehr runter. Apropos Runterziehen: seit gestern kennen wir auch den Gegner in der ersten Runde des nächsten DFB-Pokals, nämlich unsere Nachbarn aus Mainz. Im Winter sah es noch danach aus, dass man sich in der neuen Saison in der Liga begegnen würde, was beide Vereine jedoch mit unterschiedlich beeindruckenden Serien zum Ende der Saison auf ihre jeweils eigene Weise vermieden. Nun also stattdessen das Treffen im Pokal, was bei mir Nullkommanull Begeisterung auslöst. Klar, das Stadion wird voll, aber das hätte man gegen viele andere Mannschaften auch haben können – und dann sogar ohne dass die Gästefans komplett das Stadion übernehmen, denn PLZ-Sperren wie sonst werden im Vorverkauf hier kaum helfen. Das Spiel wird am Wochenende rund um den 17. August stattfinden, die Liga beginnt zwei Wochen vorher. Ein erstes Testspiel gibt es – zumindest laut kicker – auch schon, nämlich am 20. Juli beim FC Homburg. Wer den beliebten Stehblog-Google-Kalender abonniert hat, bekommt alle Termine wie immer automatisch aufs Handy.


Ehemalige:

  • Markus Kolke schafft es nach dem Abstieg von Hansa Rostock im Alter von 33 Jahren noch in die Bundesliga. Zwar „nur“ als dritter Torwart bei Werder Bremen, aber manchmal geht es ja ganz schnell und man wird plötzlich nicht nur im Training gebraucht.
  • Dominik Bauer konnte sich als Innenverteidiger-Talent aus dem eigeneren NLZ beim SVWW nicht durchsetzen und wechselte letzten Sommer zum FC Eddersheim in die Hessenliga. Nachdem er dort nur einen einzigen Einsatz hatte, geht es nun noch etwas tiefer zum TGSV Holzhausen (mit Alf Mintzel und Thorsten Barg, Sie wissen schon.)

Während die Profimannschaft des SVWW ihr großes Ziel verfehlt hat, gab es wenigstens bei einigen Jugendmannschaften etwas zu feiern. Die U17 hat mit einem 3:0 gegen KSV Baunatal den Hessenpokal gewonnen – auch wenn man es nur schwer beweisen kann, denn der Pokal ging wohl irgendwo zwischen dem Endspielort Petersberg und dem heimischen Halberg verloren. Auch der jüngere B-Jugend-Jahrgang, die U16 hat Grund zum Jubeln, denn schon vor dem letzten Spieltag steht der Aufstieg in die Hessenliga fest. Die U11 hat ihre Liga, die D-Jugend-Kreisliga, gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!

Apropos verfehlte Ziele. Auch für Stefan Blöcher als Geschäftsführer der Brita-Arena hat nicht alles so geklappt, wie man sich das vorgestellt hat. Dass aus den Open-Air-Konzerten in der Brita-Arena in diesem Sommer nichts wird, war schon länger bekannt. Mittlerweile wurde auch in einem Nebensatz erwähnt, dass es kein Public Viewing der EM-Spiele in der Arena geben wird. Möglicherweise liegt es daran, dass die Ukrainische Nationalmannschaft nicht nur auf dem Halberg, sondern auch in der Brita-Arena traininieren möchte, keine Ahnung.

Zum Abschluss noch ein Veranstaltungstipp etwas anderer Art: am 18. Juni gibt es im Museum Wiesbaden einen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema Kolonialismus und Rassismus im Fußball.