Ein ständiges Auf und Ab

Konstanz ist im Fußball bekanntlich ein rares Gut. Wer eine Saison konstant gut spielt, wird am Ende Meister oder steigt auf, und wer konstant schlecht spielt, steigt ab. Das gelingt aber nur den wenigsten Teams, für die meisten anderen spielt sich das Ligageschehen irgendwo dazwischen ab. Wobei es hin und wieder trotz schwankenden Saisonverlaufs Aufstiege oder Meisterschaften zu bewundern gibt.

Der SV Wehen Wiesbaden ist seit er so heißt, also seit dem Aufstieg in die 2. Liga anno 2007, ein typischer Vertreter dieser Leistungs- und Ergebnisschwankungen, wobei sich häufig ganze Serien von ähnlichen Spielen im Guten wie im Schlechten abwechseln.

Gestern gab es das ganze in einem Spiel komprimiert zu sehen. Der 1. FC Heidenheim war zu Gast in der Brita-Arena und da die Partie Fünfter gegen Sechster die einzige des Spieltags war, an dem zwei Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte gegeneinander antraten, wurde es auch als Spitzenspiel angekündigt.

Heidenheim legte gut los und war zunächst feldüberlegen, ohne sich jedoch echte Torchancen zu erspielen. Nach knapp 20 Minuten kam der SVWW zu seinem ersten richtigen Angriff: Abraham schickte Schönheim auf der linken Seite, dessen Flanke Sailer mit einem tollen Kopfball zum 1:0 verwertete. Nach weiteren Chancen für Wehen und einem zurecht nicht gegebenen Tor für Heidenheim war es erneut Abraham, der diesmal Brosinski bediente. Dessen Schuss wurde zwar noch abgewehrt, fiel aber Sailer vor die Füße, der zum 2:0 vollstreckte. Während die Zuschauer noch jubelten, bekam der FCH einen Einwurf zugesprochen, aber zu Unrecht, zumindest nach Meinung von Fabian Schönheim. Der Kapitän schimpfte noch mit dem Linienrichter, doch das Spiel ging schon weiter, Schönheim kam nicht schnell genug zurück und ein Heidenheimer Spieler konnte ungestört in den Strafraum passen – 2:1 durch Liga-Toptorjäger Patrick Mayer. Damit nicht genug, denn direkt vor der Halbzeit ließ Torwart Gurski nach einem Freistoß den Ball fallen, sodass gleich zwei Gästespieler Gelegenheit hatten, den Ball ins Tor zu stochern. 2:2 zur Pause, ausgerechnet zwei der normalerweise besten Wiesbadener hatten gepatzt.

Nach Wiederanpfiff (übrigens durch den FIFA-Schiedsrichter Florian Meyer) drohte das Spiel völlig zu kippen, als die Schwaben wie schon zu Beginn der ersten Hälfte stark aufspielten. Der SVWW kam jedoch auch zu Chancen und Mitte der zweiten Halbzeit fiel tatsächlich die erneute Führung für den SVWW. Ledgerwood hatte großartig für Ziemer durchgestreckt, der völlig cool zum 3:2 einschob. Als noch die Begeisterung über diesen unfassbaren Moment anhielt (Marcel Ziemer trifft! Und nebenbei, für genau diese Ankündigung habe ich schon wieder eine 5-Euro-Wette gewonnen.), schon der nächste Höhepunkt: Sailer lag im Strafraum am Boden und Meyer gab Elfmeter. Im Stadion waren wir noch etwas unsicher, aber nach Studium der Fernsehbilder kann man sagen: korrekt, wenn auch Sailer nicht ungeschickt das Bein des Gegenspielers nutzt. Brosinski verwandelte sicher zum 4:2 und ein Sieg schien nun tatsächlich realistisch zu werden. Die Heidenheimer schienen jetzt aufzugeben und kamen nur noch durch zwei gute Freistöße zu Chancen – wahrscheinlich konnten sie nach ihrem Dienstagsspiel auch einfach nicht mehr zulegen. Die endgültige Entscheidung besorgte dann Milad Salem mit einem schönen Schuss aus spitzem Winkel – 5:2. Der kurz zuvor eingewechselte Janjic hätte sogar noch das halbe Dutzend voll machen können, aber auch so war es ein außergewöhnliches Ergebnis.

Noch nie zuvor hat der SVWW in der Brita-Arena fünf Tore erzielt (das 5:1 gegen Jena in der Saison 07/08 fand noch im Ausweichquartier im Frankfurter Waldstadion statt) und es gab ebenfalls noch nie ein Spiel in der Brita-Arena mit insgesamt sieben Toren. Besonders erfreulich war dabei (wie auch Gino Lettieri auf der Pressekonferenz nach dem Spiel feststellte), dass alle fünf Tore durch die oft kritisierten Offensivspieler erzielt wurden. Der inoffizielle Marcel-Ziemer-Fanclub in N6 beorderte zur Humba dann „Cello“ auf den Zaun, der sich sein Tor durch eine großartige Leistung auch redlich verdient hatte. Wenn er immer so spielen würde, wäre eine mögliche Trennung nach der Saison sicher kein Thema.

Die direkten Konkurrenten Offenbach, Erfurt und Koblenz spielten gestern alle jeweils 1:1. Wehen steht nun wieder auf dem vierten Tabellenplatz, nur einen Punkt hinter Offenbach (die gestern Abend ihren Trainer Wolfgang Wolf feuerten beurlaubten). Es bleibt spannend, voraussichtlich bis Saisonende.