Wer nicht hüpft, der ist ein Piefke
Am Wochenende war es mal wieder so weit, ich weilte zu einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft (also der „Herren-A-Mannschaft“, keine U21, keine Frauen, sondern ganz klassisch) im Stadion. Kam bis jetzt noch nicht allzu oft vor und eigentlich habe ich auch gar keinen so großen Drang dazu, aber da sich meine österreichischen Freunde schon freundlicherweise um Karten bemüht hatten, war es eine gute Gelegenheit, ein langes Wochenende in Wien mit einem Besuch im Ernst-Happel-Stadion zu kombinieren.
Auf dem Hinflug am Donnerstag saß der frühere Nationalspieler Hans-Peter Briegel im selben Flugzeug wie ich und dieser Umstand erinnerte mich daran, dass während meiner Kindheit die deutsche Nationalmannschaft ihre Siege häufig ihrer kraftbetonten Spielweise und weniger einem technisch anspruchsvollen Stil verdankten.
Im Stadion kam mir dann auch wieder ins Bewusstsein, warum ich Länderspiele lieber im TV anschaue, denn trotz des ganzen Event-Gedöns kommt einfach keine richtige Stimmung auf, zumindest nicht so wie ich mir sie beim Fußball wünsche. Wahrscheinlich liegt es u. a. daran, dass keiner so recht weiß, was er singen soll, denn selbst die Lieder, die (zumindest in Deutschland) bei so ziemlich jedem Fanblock im Reportoire sind, passen nicht wirklich. So bleibt’s dann auf deutscher Seite beim überaus einfallsreichen „Deutschlaaand, Deutschlaaand…“-Gesang oder den unangenehme Assoziationen weckenden „Sieg“-Sprechchören. Seit ein paar Jahren (WM ’06?) wird vor lauter Langeweile auch mal die Nationalhymne gesungen. Auf österreichischer Seite gab’s dann so Kracher wie „Jetzt geht’s lohoos“, das ewige „Immer wieder, immer wieder, immer wieder Österreich“ (bzw. „… Rot-Weiß-Rot“) oder „Wer nicht hüpft, der ist ein Piefke“. Dazwischen, auf beiden Seiten, minutenlanges Schweigen. Ich bin ja auch kein großer Fan von spielunabhängiger Ultra-Dauerbeschallung, aber was den Support betrifft ist jeder Drittligakick besser als ein Länderspiel. Äußerungen wie diese von zeitonlinesport können wohl nur gemacht werden, wenn man das Spiel im Fernsehen anschaut.
Zum Spiel brauche ich hier wohl nicht viel zu schreiben, das haben alle anderen schon erledigt. Gegenüber meinen österreichischen Freunden hatte ich nach dem Spiel schon fast das Bedürfnis mich zu entschuldigen. Mein Geständnis, dass mir ein deutsches 4:0 zur Halbzeit auch lieber gewesen wäre, um den Gastgebern keine unnötigen Hoffnungen bis kurz vor Spielschluss zu machen, wurde aber nicht unbedingt als Rechtfertigung verstanden. Beim anschließenden Zwickel im Prater war die Stimmung aber wieder prächtig.
Auf dem Rückflug am Sonntag saß vor mir, natürlich, Hans-Peter Briegel.