SVW(W)² – Game over

Der SV Wehen Wiesbaden hat heute unter der Überschrift „Strategische Zusammenarbeit für den Profifußball in Wiesbaden“ bekannt gegeben, dass man eine Kooperation mit dem Nachbarn SV Wiesbaden anstrebt.

Während zwar zurückhaltend formuliert wird, dass „Gespräche aufgenommen“ wurden, wird schnell klar, dass die Überlegungen schon recht konkret sind. So soll der SVW als weiterer Gesellschafter (neben dem SV Wehen Taunusstein und der Brita GmbH) in die Profi-GmbH einsteigen. Es soll im Senioren- und im Juniorenbereich bis zur U16 zusammengearbeitet werden, die erste Mannschaft des SVW würde als zweite Mannschaft integriert und weiterhin in der Hessenliga antreten. Anfang November soll dann „über die Verhandlungsergebnisse informiert und Themen wie Name, Farben und Logo der gemeinsamen Profifußball GmbH besprochen werden.“

Die Mitglieder des SVWW (präziser: die Vereinsmitglieder des SV Wehen 1926 Taunusstein e.V.) werden dabei nicht gefragt, da sie bereits „mit der Ausgliederung in die SV Wehen 1926 Wiesbaden GmbH der Beteiligung weiterer Gesellschafter grundsätzlich zugestimmt“ haben. Die Mitglieder des SVW dürfen über das Vorhaben abstimmen, wobei diese ja erst vor nicht allzu langer Zeit mit Andreas Reich ihren Hauptsponsor zum Präsidenten gewählt haben und somit vermutlich kein allzu großer Widerstand zu erwarten ist.

„Sportlich, strukturell und wirtschaftlich bietet die Zusammenarbeit in der Profifußball GmbH wertvolle Synergieeffekte und Vorteile für den Fußball-Standort und die Sportstadt Wiesbaden.“

Das behauptet zumindest das SVWW-Präsidium um Markus Hankammer. Spontan fällt mir allerdings nicht viel ein, worin die Synergieeffekte liegen sollen.

Betrachten wir es mal von der sportlichen Seite.

Der SVWW hat gerade erst aus finanziellen Gründen seine 2. Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet, nach der Fusion (oder wie auch immer der Vorgang heißen soll) hätte man aber wieder eine 2. Mannschaft genau dort, wo sie vorher auch war, in der Hessenliga. Hätte man auch einfacher haben können, aber möglicherweise waren die im Hintergrund bereits laufenden Fusionsgespräche mit ein Grund für die Abmeldung.

Bis zur U15 soll wohl separat ausgebildet werden, danach dann gemeinsam im Nachwuchsleistungszentrum auf dem Halberg. OK, man bekommt also idealerweise automatisch ein paar talentierte Jugendliche, die man nicht mehr vom Nachbarn abwerben muss. Aber wenn sie richtig gut sind, werden sie in dem Alter genau wie bisher von Mainz 05, Eintracht Frankfurt oder anderen abgeworben.

Bisher sehe ich da noch keine Synergieeffekte, geschweige denn einen wirklichen Vorteil für den SVWW.

Wie sieht es wirtschaftlich aus?

Mit dem SV Wiesbaden holt man sich dessen Präsident Andreas Reich ins Boot, der Geschäftsführer des SVW-Hauptsponsors Kartina.TV ist, einem Anbieter von russischem und ukrainischem Fernsehen in Deutschland. Das ist anscheinend ein gut gehendes Geschäft und prinzipiell spricht ja auch nichts dagegen, wenn Markus Hankammer/Brita den SVWW nicht dauerhaft alleine subventionieren will. Aber warum lässt man Reich/Kartina.TV nicht direkt beim SVWW einsteigen, egal ob als Sponsor oder als Anteilseigner? Ähnliches wurde ja schon letztes Jahr spekuliert, als er seinen Ausstieg beim SVW ankündigte, dann aber kehrtmachte und sich zum Präsidenten wählen ließ.

Wahrscheinlich sieht Hankammer keine andere Möglichkeit, einen halbwegs potenten weiteren Geldgeber an Land zu ziehen, während Reich seinen SVW nicht sitzen lassen möchte und ihn deshalb mit in die Ehe einbringt. Man hofft offenbar, durch „die Bündelung der Stärken der beiden höchstklassigen Wiesbadener Fußballvereine“ weitere Sponsoren akquirieren zu können. Ob diese jetzt allerdings Schlange stehen werden, weil sie sich vorher nicht zwischen dem SVWW und dem SVW entscheiden konnten, möchte ich mal leise anzweifeln, aber wer weiß.

Der Preis für die Aktion ist natürlich, dass man die paar Fans, die beide Seiten haben, oder zumindest Teile davon, nachhaltig vergrätzt. Als der SV Wehen nach dem Zweitligaaufstieg seinen Profibetrieb nach Wiesbaden verlagerte, sorgte das bei vielen langjährigen Anhängern für Verstimmung, aber die meisten akzeptierten, dass auf dem Halberg schlicht keine 2. oder 3. Liga möglich ist. Auch die Aufnahme Wiesbadens in den VereinsGesellschaftsnamen wurde überwiegend hingenommen, aber als es einige Jahre später den ersten Versuch gab, auf das Trikot nur noch „Wiesbaden“ ohne „Wehen“ zu drucken, war ein merklicher Protest die Folge, sodass dieses Vorhaben schnell wieder gekippt wurde.

Wie soll da ein gemeinsamer Auftritt mit dem SV Wiesbaden, der natürlich seine eigene Tradition auch nicht einfach wegwerfen will, gelingen? Ein „SVW Wiesbaden“, der abwechselnd in rot-schwarz und orange antritt? (Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ergibt dieses grelle Rot in den aktuellen SVWW-Trikots plötzlich Sinn.)

Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Zuschauer der neuen „Spielvereinigung SV SV Wehen Wiesbaden Wiesbaden“ plötzlich die Hütte einrennen. Selbst wenn man unterstellt, dass alle, die bisher zu den jeweiligen Mannschaften gingen, auch weiterhin kommen (was ich stark anzweifeln würde, siehe oben), wären es nur ein paar Hundert mehr als bisher. Da könnte man natürlich wieder über „Wiesbaden ist keine Fußballstadt“ etc. pp. diskutieren, aber die Rahmenbedingungen – nämlich, dass im Umkreis einer guten halben Stunden aktuell drei Erstligisten, ein Zweitligist und ein traditionsreicher Viertligist beheimatet sind – ändern sich durch das Fusiönchen um keinen Millimeter.

Ich fasse also zusammen: sportlich bringt’s nix, Fans beider Lager werden massiv frustriert, aber Herr Hankammer muss nicht mehr alleine die teure 3. Liga bezahlen, sondern teilt sich das mit Herrn Reich, der sich dafür auch endlich mal im Profifußball sonnen darf.

Mach’s gut, SVWW, war manchmal richtig schön mit Dir.