Quasi-Länderspielpause

Es ist mal wieder Länderspielpause, was an diesem Wochenende die 3. Liga ausnahmsweise nicht betrifft, den SV Wehen Wiesbaden aber schon, da der ursprünglich für Sonntag vorgesehene Gegner, Werder Bremens zweite Mannschaft, zwei Junioren-Nationalspieler abstellen muss und somit das Spiel zwischen SVWW und SVW verlegt werden musste. Die Partie wird erst nach Ostern, nämlich am Mittwoch, den 19. April ab 19 Uhr in der Brita-Arena ausgetragen. Das finde ich insofern ganz gut, weil das Spiel dadurch nicht mit Familienaktivitäten am Sonntag kollidiert und uns stattdessen ein Feierabend-Flutlichtspiel beschert, andererseits hängt man dann drei Wochen lang in der Tabelle ein bisschen hinterher und an einem Mittwochabend werden sicher noch weniger Gästefans kommen als ohnehin schon. Gut, letzteres ist eher zu vernachlässigen, bringt Bremen II doch auch sonst nicht viele Leute mit, und auch das vorübergehend schiefe Tabellenbild ist nicht ganz so dramatisch, da der SVWW aktuell erfreulicherweise sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze hat und somit auch mit einem Spiel Rückstand nicht sofort unter den Strich rutscht.

Ein handfester Vorteil der Spielverlegung ist allerdings, dass die Mannschaft dadurch statt nur zwei Tagen über eine Woche Vorbereitungszeit auf das Hessenpokal-Halbfinale am kommenden Mittwoch hat. Der Gegner TSV Steinbach ist als Regionalliga-Spitzenteam keinesfalls zu unterschätzen – wir erinnern uns an das Viertelfinale, als Steinbach den FSV Frankfurt mit 5:0 heimschickte – und die Bedeutung der Partie dürfte auch allen klar sein: mit einem Sieg und dem damit verbundenen Finaleinzug hätte man gute Chancen auf eine Teilnahme am DFB-Pokal in der kommenden Saison. Europa League, Champions League, Klub-Weltmeisterschaft wären die logische Folge.

Ohne einen Sieg im Hessenpokal wäre das schon etwas schwieriger, denn bekanntlich muss man in der 3. Liga mindestens Vierter werden, um sich für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Das dürfte trotz der positiven Entwicklung der letzten Wochen und der relativ geringen Punkteabstände in der Tabelle dennoch ziemlich schwierig werden. Ich wäre mit einem möglichst frühzeitigen Klassenerhalt schon völlig zufrieden – und mit einem Hessenpokalsieg richtig glücklich.

In der Liga könnte man in den nächsten drei Heimspielen theoretisch schon alles klar machen, denn mit Münster, Erfurt und Bremen kommen drei direkte Konkurrenten in die Brita-Arena. Drei Siege aus diesen Begegnungen und man hätte nicht nur den Platz vor diesen Teams gefestigt, sondern mit dann 44 Punkten den Ligaverbleib so gut wie sicher, zumindest hat diese Punktzahl in allen bisherigen Drittligasaisons gereicht.

Möglicherweise reicht auch viel weniger, denn zur Zeit liest man ungefähr im Wochenrhythmus von ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten bei diversen Vereinen der 3. Liga. Aalen, Paderborn, Erfurt, Frankfurt, und wer weiß, wer sich noch dazugesellt. Ob und welche Konsequenzen das jeweils haben wird, ist noch nicht klar (nur gegen Aalen gab es bisher wegen der Planinsolvenz einen Abzug von 9 Punkten, gegen den aber Einspruch eingelegt wurde und den Peter Vollmanns Mannschaft mittlerweile auch schon wieder aufgeholt hat), aber es würde mich nicht wundern, wenn am Ende ein sportlich eigentlich gerettetes Team trotzdem absteigen müsste.

Aus SVWW-Sicht sollte uns das aber nur am Rande interessieren, da seit dem Amtsantritt von Rüdiger Rehm nicht nur die Punkteausbeute sehr erfreulich ist (was zwar zunächst das Allerwichtigste ist, keine Frage), sondern man auch das gute Gefühl hat, dass es voran geht, dass konsequent an Taktik und Spielweise gearbeitet wird, ja, dass es eine realistische Perspektive gibt, sich nächste Saison wieder etwas nach oben zu orientieren. Diese Zuversicht habe ich nicht nur durch Beobachten des Geschehens auf dem Platz, denn am Dienstag durfte ich Rehm aus der Nähe „erleben“ und ihm zuhören. Sonja hatte per Instagram-Verlosung zwei Plätze im „Kabinentalk“ gewonnen und mich freundlicherweise zu dieser Veranstaltung mitgenommen. Im ersten Teil plauderten Rehm und Sportdirektor Christian Hock, befragt von Pressesprecher Daniel Mucha, über das „Innenleben“ einer Mannschaftskabine, also wie es da so am Spieltag zugeht usw., angereichert durch Vergleiche aus ihrer jeweiligen Zeit als Fußballprofi und ihrer heutigen Perspektive in anderer Funktion. Das war schon mal sehr interessant und unterhaltsam, aber noch spannender fand ich den zweiten Teil, in dem Rehm, unterstützt durch Videoanalyst Paul Fernie, vorführte, wie die Gegnervorbereitung mittels Videoanalyse abläuft. Als konkretes Beispiel wurde die Vorbereitung für das Spiel in Duisburg gewählt. Als interessierter Fußballfan kennt man sowas ja zumindest theoretisch, aber es dann mal ganz konkret gezeigt zu bekommen, welche Informationen den Spielern vermittelt werden und wie das durch entsprechende Videosequenzen unterfüttert wird, war hochinteressant. Rehm ist ganz offensichtlich ein intensiver Nutzer dieser Möglichkeiten (was ihn anscheinend von seinen Vorgängern unterscheidet), die ihm durch dieses Werkzeug geboten wird. Über die Arbeit von Paul Fernie ist aktuell auch ein Artikel im WK zu lesen. Jedenfalls bekommt man bei Rehms Ausführungen ganz klar den Eindruck, dass er nicht nur weiß, was er will, sondern auch wie er und seine Mannschaft das erreichen kann.

Am Donnerstag gab es ein Testspiel gegen den Oberligisten TSV Schott Mainz, zu dem vermutlich zuvor kein Videostudium durchgeführt wurde, stand die Partie doch in erster Linie unter dem Motto, den Spielern aus der (momentan) zweiten Reihe Spielpraxis zu verschaffen. Diverse zuvor verletzte Spieler gaben ihr Comeback (Bulut, Nyarko, Mayer) und Patrick Breitkreuz spielte zum ersten mal überhaupt im Trikot des SVWW. Der Endstand von 3:0 ist eher nebensächlich, aber dass Bangert, Mayer und Bulut getroffen haben, ist natürlich positiv.

Kein Comeback wird es von Christian Cappek geben, der erneut an der Patellasehne operiert werden muss und deshalb seine Karriere mit 26 Jahren als Sportinvalide beenden muss. Cappek kam in der Winterpause der vergangenen Saison, wurde dreimal eingewechselt und war seitdem wieder verletzt. So gesehen hält sich der sportliche Verlust für den Verein in Grenzen, aber für ihn persönlich tut mir das schon sehr leid. Den Berichten nach zu urteilen blickt er aber recht optimistisch in die Zukunft und bereitet sich auf sein Leben nach der Profikarriere vor – ich wünsche alles Gute!

Wer es nicht bis zur nächsten Folge Niemals Erste Liga aushält, sollte sich die aktuelle Ausgabe des Nur der FCM! Podcast anhören, in der Sonja und ich über die Partie in Magdeburg und den SV Wehen Wiesbaden im Allgemeinen berichten dürfen.