Die Wehenschau (KW 17/2020)
Es ist mittlerweile fast sechs Wochen her, dass der Lockdown begann und auch die Sportwelt aus den Fugen geriet – oder besser gesagt: zum Stillstand kam. Für manche Sportredaktion wird damit die Themenlage dünn, auch der kicker muss sich mit einer Menge Klickstrecken behelfen, um ein bisschen Content zu produzieren, der in den Newsfeeds zu den jeweiligen Vereinen auftauchen kann. Da gibt es dann schon mal die Vertragslaufzeiten der Trainer oder die schnellsten Spieler zu klicken oder natürlich einen Klassiker, das Zuschauerranking. Klar, dass der SV Wehen Wiesbaden da auf dem letzten Platz steht, und das ist auch eigentlich keiner weiteren Erwähnung wert, aber ich möchte doch anmerken, dass normalerweise der Zuschauerschnitt von 5.270 mittlerweile und erst recht am Saisonende höher läge, schließlich erwartete man mit dem VfB Stuttgart, dem 1. FC Nürnberg, Dynamo Dresden und dem FC St. Pauli in vier von fünf Heimspielen noch sehr zuschauerstarke Vereine.
Aber sei’s drum, dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Die DFL hat offenbar die richtigen Strippen gezogen und wird morgen voraussichtlich verkünden, dass die Saison am 9. Mai mit Geisterspielen fortgesetzt wird. Der bereits lautgewordenen Kritik entgegnet man mit erwartbaren Argumenten, was nicht gerade uneingeschränkte Zustimmung hervorruft.
Bei allem Verständnis für die wirtschaftliche Notwendigkeit und selbst wenn man wohlwollend hinnimmt, dass für den Fußball eine nicht unerhebliche Kapazität an Covid-19-Tests „abgezweigt“ wird, stellen sich mir doch noch einige Fragen, auf die ich bisher noch keine befriedigenden Antworten gefunden habe. Beispielsweise wie damit umgegangen werden soll, wenn kurz nach dem Spiel ein beteiligter Spieler positiv getestet wird – im DFL-Konzept heißt es dazu, der Spieler „sollte sofort isoliert werden, die dokumentierten Kontaktpersonen sollten einem Test unterzogen werden“. Aber was, wenn sich in der Folge herausstellt, dass weitere Spieler der eigenen oder gegnerischen Mannschaft infiziert wurden? Eigentlich müssten beide Mannschaften dann komplett für zwei Wochen in Quarantäne. Nehmen wir mal nur zwei, drei solcher Vorfälle an und schon wäre der Terminplan für die ganze Liga perdu. Aber was, wenn wir vielleicht gar nicht davon erfahren? Schließlich heißt es auch: „Die Vereine sollen positive Fälle nicht automatisch der Presse melden“. Oha…?
Man kann sich auch fragen, was passiert, sollten sich Fans nicht an die Vorgabe halten, sich nicht an den Stadien zu versammeln – sei es aus Ignoranz, aus Protest oder aus welchen Gründen auch immer. Die Veranstaltungen, die diese Versammlungen hervorrufen, könnte man wohl kaum fortsetzen bzw. wiederholen.
Und selbst wenn das alles glatt liefe, wäre dann noch die Frage, in welcher Form man die Fans an den Spielen teilhaben lassen kann. Stadion fällt ja flach, ebenso gemeinsames Schauen in Kneipen oder Sportsbars, bleibt also nur der heimische Fernseher. Aber nicht jeder hat Sky und selbst wenn es kurzfristig ein günstiges Angebot geben sollte, bezweifle ich, dass Receiver in ausreichender Anzahl vorrätig sind. Einfacher wäre Streaming per SkyGo, zumindest für alle mit halbwegs schnellem Internetzugang, aber dieser Dienst ist ja schon bei normalen Zugriffszahlen oft genug ziemlich instabil. Sofern Sky in den letzten Wochen nicht massiv in seine Streaming-Infrastruktur investiert hat, könnte das eine ziemlich Enttäuschung werden. Eine freie TV-Übertragung der Konferenz, wie sie vor der Unterbrechung für die Spieltage 25 und 26 angekündigt war, wird man kaum für die komplette restliche Saison anbieten, auch weil sowas die Rechte der weiteren übertragenden Sender entwerten würde. Aber vielleicht gibt es auch zu diesem Thema morgen Neuigkeiten.
Andererseits wurde gemeldet, dass Sky angeblich trotz der ungewissen Saisonfortsetzung einen Großteil der noch ausstehenden Beträge zahlen wolle. Sollte das so sein, wäre eventuell die finanzielle Grundlage geschaffen, die Saison doch abzubrechen – oder für längere Zeit zu unterbrechen und erst im Herbst wieder aufzunehmen und vor Weihnachten abzuschließen. Das wäre ungewohnt, aber man könnte bei dieser Gelegenheit die beiden folgenden Spielzeiten direkt im Kalenderjahr stattfinden lassen und so auch die Terminproblematik mit der Winter-WM 2022 in Katar entschärfen.
Ohnehin sollte es nicht verwundern, wenn in diesen besonderen Zeiten auch im Fußball eine Menge Veränderungen stattfinden. Sollte die Saison beispielsweise komplett abgebrochen werden (wie ja schon in vielen anderen Sportarten oder auch in den Fußballligen in Belgien und Niederlande geschehen), müsste geklärt werden, ob und wie Auf- und Abstiege gehandhabt werden. Bei Verzicht auf Abstiege müsste man mindestens die erste Liga aufstocken, aber auch für die 3. Liga gibt es schon konkrete Vorschläge zur Vergrößerung und Teilung in eine Nord- und eine Südstaffel – Erinnerungen an die Regionalliga zwischen 1994 und 2008 werden wach.
Kommen wir zum Abschluss noch zum SVWW. Eher zufälligerweise habe ich bei meinem Heimatverein vorbeigeschaut und gesehen, dass dort zum 100jährigen Jubiläum der Fußballabteilung im Sommer diverse Veranstaltungen geplant sind – bzw. eher waren. Am 27. Juni sollte die Wehener Traditionsmannschaft gegen die Alten Herren aus Kirberg/Ohren/Nauheim spielen und am 1. Juli das SVWW-Profiteam gegen die TuS Koblenz. Wird aber höchstwahrscheinlich leider nichts draus werden, vielleicht wird das nächstes Jahr nachgeholt.
Vom Halberg gibt es nicht allzu viel Neues. Die Mannschaft trainiert weiterhin in Kleingruppen und Mocke zockt – diese Frage auf der Pressekonferenz vor dem letztlich abgesagten Spiel gegen Stuttgart war wohl nicht gänzlich unangebracht…
Ansonsten gibt es weiterhin diverse kleine Aktionen. Beispielsweise kann man gegen eine Spende an einem virtuellen Rundgang über die neue Westtribüne teilnehmen, die Erlöse gehen vollständig an hessische Amateurvereine. In der Animation bekommt man schon eine Idee, wie es mal aussehen wird. Sehr schön finde ich, dass es offenbar rote Sitze geben wird. Das war wohl schon vorher bekannt, aber bisher noch nicht zu mir vorgedrungen. Ich bin dann mal gespannt, ob die Sitze auf der Haupttribüne dann auch ausgetauscht werden, denn das sähe ja sonst etwas merkwürdig aus. Andererseits ist ein Sitzaustausch aus rein ästhetischen Gründen momentan in finanzieller Hinsicht eher schwierig zu verargumentieren.
Für die kleinen Fans gibt es gerade auch vergünstigte Trikots im Angebot, nämlich für 30 statt 55 Euro, dazu gibt es einen Satz Autogrammkarten und eine Überraschung. Da wird sich mein Neffe freuen.
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Beitragsbild von Stefan Jürgensen