Die Wehenschau (KW 8/2022)
Kurze Vorbemerkung: Die Tatsache, dass seit gestern gerade mal 1.000 Kilometer von uns entfernt plötzlich Krieg herrscht, lässt die Beschäftigung mit Fußball noch banaler erscheinen, als sie ohnehin schon ist. Allerdings hilft es auch niemandem, das jetzt nicht zu tun – die Wehenschau und die Spielberichte erscheinen also weiterhin wie gewohnt. Vor den Spielen am Wochenende empfiehlt der DFB eine stille Gedenkminute.
Diese Woche vermeldete der SV Wehen Wiesbaden etwas, was es schon ein Weilchen nicht mehr gab, nämlich die Vertragsverlängerung eines Spielers. Wenn ich nichts übersehen habe, war das zum letzten Mal bei Arthur Lyska im vergangenen Mai der Fall, und auch diesmal betrifft es einen Torhüter, nämlich Stammtorwart Florian Stritzel. Dieser hatte sich bekanntlich in der letzten Sommerpause erst per Probetraining beim SVWW empfohlen, sich dann gegen die Nummer Eins der letzten Saison, Tim Boss, durchgesetzt und seitdem keinen Anlass gegeben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Stritzel ist mit immerhin schon 28 Jahren zum ersten Mal in seiner Profilaufbahn Stammtorwart und so ist es für beide Seiten, also Verein und Spieler, nur folgerichtig, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Stritzel unterschrieb einen neuen Vertrag für die beiden kommenden Saisons und es sieht sehr danach aus, dass es endlich mal wieder etwas Kontinuität im Tor gibt. Die hatte es ja seit dem etwas merkwürdigen Wechsel von Markus Kolke nach dem Aufstieg vor fast drei Jahren nicht mehr dauerhaft gegeben: Watkowiak erwies sich als nicht zweitligatauglich, Lindner konnte nach dem Abstieg nicht gehalten werden und Boss wurde, trotz überwiegend guter Leistungen, von Stritzel verdrängt. Da die Verträge der anderen Torhüter ebenfalls zum Saisonende auslaufen, könnte ich mir vorstellen, dass man Boss, der sicherlich wieder dauerhaft spielen möchte, ziehen lassen wird und mit Lyska und Becker als klare Nummer Zwei und Drei verlängert.
Türkgücü München entwickelt sich zunehmend zu einem Ärgernis, dürfte aber sehr bald Liga-Geschichte sein. Aufgrund der Insolvenz werden dem Verein wie erwartet neun Punkte abgezogen, außerdem werden Verstöße gegen Lizenzauflagen mit zwei weiteren Punktabzügen bestraft. Mit insgesamt elf Punkten weniger, also statt aktuell 26 nur noch 15, rutscht Türkgücü ans Tabellenende und wird so wohl kaum noch den Klassenerhalt schaffen. Vom zweifelhaften Finanzgebaren der Münchner ist auch der SVWW betroffen, denn die Ablöse für Paterson Chato, der vor der Saison für angeblich knapp 200.000€ gewechselt ist, ist noch nicht vollständig bezahlt. Laut kicker stehen noch mehr als 100.000€ aus, die man nun vermutlich abschreiben kann. Wenn Türkgücü komplett den Spielbetrieb einstellen würde und alle Spiele entsprechend aus der Wertung genommen würden, könnte der SVWW wenigstens tabellarisch profitieren, aber wahrscheinlich werden sie uns nicht mal diesen Gefallen tun.
Deutlich sympathischer ist da schon der Namensvetter aus Friedberg, der zwar den SVWW aus dem Hessenpokal geworfen hat (was aber hauptsächlich an Wehen selbst lag), sich dabei aber als sehr guter Gastgeber präsentiert hatte. Am Samstag wird Türk Gücü beim FSV Fernwald versuchen, das Viertelfinale zu erreichen. Bereits geschafft haben das die Regionalligisten FSV Frankfurt, TSV Steinbach Haiger und die Offenbacher Kickers – letztere mit einem 4:0 bei Biebrich 02, wo auch einige frühere Wehener Spieler aktiv sind, u. a. Christian Kunert.
Was, wann, wo: 3. Liga, 28. Spieltag, Sonntag, 27. Februar, 14 Uhr, auswärts bei Borussia Dortmund II
Der Gegner: Die zweite Mannschaft des BVB spielt bisher eine gute Saison und steht mit einem Punkt mehr als der SVWW aktuell auf Tabellenplatz 7. Welche Spieler am Sonntag im Stadion Rote Erde auflaufen werden, weiß man vorher ja nie so genau und wird auch davon abhängen, wer in den Kader der ersten Mannschaft berufen wird, die ebenfalls am Sonntag spielt. Ziemlich sicher werden aber sowohl der beste Torschütze Berkan Taz (10 Tore, 7 Vorlagen) als auch Abwehrchef und 2019er Aufstiegsheld Niklas Dams dabei sein.
Das Spiel in der Hinrunde endete mit einer 0:1-Heimniederlage.
Der Direktvergleich spricht trotzdem noch eindeutig für den SVWW, das Spiel in der Hinrunde war die erste Niederlage überhaupt in neun Aufeinandertreffen, fünfmal gewann Wehen.
Personelles: Boss fehlt weiterhin, Mockenhaupt wohl ebenfalls. Hollerbach dürfte nach seinem Tribünenplatz von letzter Woche vermutlich in den Kader zurückkehren, wo ich auch Gianni Korte gerne mal wieder sehen würde. Im Winter hieß es doch noch, er sei näher an der Rückkehr als Mrowca, aber gespielt hat er seitdem noch nicht. So langsam erinnert das an die immer wieder verschobene Rückkehr von Stefan Aigner im letzten Jahr, nur dass jetzt einfach gar keine Kommunikation mehr stattfindet.
Aufstellungstipp: Stritzel – Mrowca, Gürleyen, Carstens, Kempe – Jacobsen, Kurt – Goppel, Prokop, Brumme – Nilsson
Nach dem Spiel wird der SVWW auf Platz 6 bis 10 stehen.
Nachwuchs: Die U17 hat zum Start der Restrunde 0:3 in Nürnberg verloren und fällt damit auf Platz 18 der 21er-Liga zurück, zum ersten Nichtabstiegsplatz beträgt der Abstand neun Punkte. Bei noch sechs ausstehenden Partien wird es ziemlich schwer, noch den Klassenerhalt zu schaffen. (Zur Erinnerung, es wird nur eine einfache Runde gespielt – das gilt übrigens auch für die nächste Saison.) Am Samstag (11 Uhr) empfängt die Mannschaft von Armin Alexander auf dem Halberg den FC Bayern München.
Rüdi-Watch: Der FC Ingolstadt hat ein 1:1 in Bremen geholt und damit das Tabellenende verlassen, aber bis zum Relegationsplatz fehlen weiterhin 10 Punkte. Am Samstag trifft Rehm dann mit Kyereh, Dittgen und Medic gleich drei seiner früheren Schützlinge beim Heimspiel gegen St. Pauli wieder.
Ansonsten: Nächste Woche ist Steven Ruprecht in einem Podcast des MDR zu Gast und wer Fragen an unseren früheren Verteidiger hat, kann sie mir gerne schicken, ich leite sie dann weiter.
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Beitragsbild: Arne Müseler, Wikipedia