Die Wehenschau (KW 15/2024)

Lange Zeit verlief die Saison für den SV Wehen Wiesbaden nahezu wie gemalt. Durch einen guten Saisonstart konnte man sich direkt von den Abstiegsplätzen fern halten und als man sich diesen langsam annäherte, gelang im Herbst eine Serie von vier Siegen in Folge. Von diesem Punktepolster konnte man wiederum lange gut leben und just als es kürzlich wieder etwas brenzlig wurde, verschaffte man sich mit einem überzeugenden Sieg in Elversberg erneut Luft nach unten. Hätte der SVWW zuletzt gegen die direkte Konkurrenz aus Osnabrück und Rostock jeweils gewonnen, wäre er jetzt schon aus dem Gröbsten raus und könnte den Rest der Saison relativ entspannt angehen. Leider setzte sich im Gegenteil der Abwärtstrend der letzten Wochen fort und nun steckt man auch tabellarisch mitten im Abstiegskampf. Sechs Partien stehen noch aus und der SVWW braucht gemäß der Faustformel „Anzahl Spieltage plus ein Sieg“ noch mindestens sechs Punkte, vielleicht sogar mehr. Bis zum Saisonende muss also im Schnitt wenigstens ein Punkt pro Spiel rausspringen, was jedoch angesichts der jüngsten Misere und der übrigen Gegner ziemlich schwierig werden könnte. Dass die Mannschaft besser spielen und auch aus wenigen Möglichkeiten viel machen kann, hat sie in dieser Saison bereits bewiesen. Es ist höchste Zeit, sich daran wieder zu erinnern und alles, aber wirklich alles zu geben – und das bereits ab der ersten Minute und nicht erst nach einer halben Stunde oder wenn man bereits in Rückstand geraten ist.


In dieser schwierigen Lage kommt die Nachricht, dass Sportdirektor Paul Fernie zum SV Darmstadt 98 wechselt, ziemlich ungelegen. Zunächst mal ist festzuhalten, dass es für den SVWW durchaus als Kompliment verstanden werden kann, wenn sich andere Vereine für das Personal interessieren. Es ist ja erst seit wenigen Jahren üblich, dass sich regelmäßig Spieler beim SVWW für höhere Aufgaben empfehlen und (teilweise gegen gutes Geld) abgegeben werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass einer, der für das Auffinden und Verpflichten einiger dieser weiterentwickelten Spieler verantwortlich war, ebenfalls für andere Vereine interessant wird. Man hätte sich natürlich gewünscht, dass Fernie den Weg des SVWW noch länger begleitet und positiv beeinflusst hätte (Stichwort „etablierter Zweitligist“), aber dass er auch an seine eigene Karriere denkt, ist ihm nicht vorzuwerfen. Die Ausstiegsklausel war sicher nicht zufällig in seinem Vertrag hinterlegt, sodass auch der Geschäftsführung dieses Risiko bewusst war. Etwas unglücklich ist der Zeitpunkt bzw. der Umstand, dass der intern angekündigte Wechsel so schnell öffentlich bekannt wurde. Das war sicherlich anders geplant, was die überraschten Reaktionen sowohl beim SVWW als auch in Darmstadt belegen. In Wiesbaden sah man sich genötigt, Fernie ab sofort freizustellen, während man bei den Lilien die Gelegenheit nutzt und Fernie schon nächste Woche als neuen Sportdirektor vorstellt. Das Ganze hätte man hinter verschlossenen Türen wohl besser lösen können, wenn nicht irgendjemand etwas voreilig geplaudert hätte.

Die Kaderplanung ist, da man aktuell noch zweigleisig planen muss, durch Fernies Abgang noch etwas kniffliger geworden, aber es ist anzunehmen, dass längst Listen von potentiellen Neuzugängen existieren. Dadurch, dass Fernie zu einem eventuellen zukünftigen Ligakonkurrenten wechselt, stellt sich natürlich die Frage, für welche Namen sich demnächst auch Darmstadt 98 interessiert. Andererseits wäre mir das Problem, dass der SVWW und Darmstadt im Sommer um dieselben Spieler konkurrieren könnten, im Grunde sehr recht, denn das hieße ja, dass Wehen die Klasse gehalten hätte – und das ist schließlich das allerwichtigste Thema.


Auch ein paar ehemalige Wehener haben jüngst den Arbeitgeber gewechselt bzw. ihren Job verloren:

  • Dass Marco Neppe seinen Posten als Technischer Direktor beim FC Bayern München räumen muss, war schon länger bekannt und wurde letzte Woche auch offiziell verkündet.
  • Jan Fießer, in der Saison 2010/11 Mannschaftskollege von Neppe beim SVWW, war zuletzt Co-Trainer von Thomas Letsch beim VfL Bochum und wurde gemeinsam mit Letsch nun freigestellt.
  • Das Duo Letsch/Fießer war zuvor gemeinsam von 2020 bis 2022 beim niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim beschäftigt, wohin 2021 auch Daniel Ebbert als Chefscout gewechselt ist. Ebbert war zuvor – als Nachfolger von Paul Fernie – Leiter der Scouting-Abteilung beim SVWW und ist nun zum VfB Stuttgart gewechselt.
  • Kosta Runjaic, von 2006 bis 2008 Trainer der Wehener U19 sowie der damals noch existierenden zweiten Mannschaft (und später u. a. auch Trainer in Darmstadt), wurde beim polnischen Erstligisten Legia Warschau entlassen.

Der bereits vier Jahre zurückliegende Wechsel von Törles Knöll (2019/20 leihweise beim SVWW) zu Türkgücü München hat ein Nachspiel. Offenbar hat der Münchner Chaosclub die vereinbarte Ablöse nicht vollständig an NK Slaven Belupo bezahlt und wurde deshalb von der FIFA mit einer Transfersperre belegt. Bei Türkgücü will man nicht zuständig sein, da die damalige ausgegliederte Kapitalgesellschaft inzwischen insolvent ist.


Der SVWW hat in der Fibona GmbH einen neuen Business-Partner gefunden. Diese betreibt u. a. die Légère-Hotels und eins davon steht in Taunusstein-Neuhof in der Heinz-Hankammer-Straße, direkt neben dem Brita-Hauptsitz. In diesem Hotel soll – so ist zu hören – während der anstehenden Europameisterschaft die ukrainische Nationalmannschaft logieren. Die Trainingseinheiten sollen auf dem Halberg stattfinden. So wird das Trainingsgelände des SV Wehen zum zweiten Mal Gastgeber einer Nationalmannschaft, nach den Iren 2008, die sich dort – damals unter der Anleitung von Giovanni Trapattoni – auf das EM-Qualifikationsspiel gegen Georgien vorbereiteten.


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Was, wann, wo: 2. Bundesliga, 29. Spieltag, Samstag, 13. April, 13:00 Uhr, zuhause gegen Fortuna Düsseldorf

Der Gegner: Seit dem letzten Abstieg aus der Bundesliga 2020 versucht sich die Fortuna am Wiederaufstieg, scheiterte aber mit den Plätzen 5, 10 und 4. In dieser Saison könnte es klappen, zumindest steht man aktuell auf dem Relegationsplatz. In der Liga ist die Mannschaft von Daniel Thioune seit acht Partien ungeschlagen, zuletzt gab es vier Siege in Folge. 61 erzielte Tore sind Ligabestwert, 18 davon gehen auf das Konto von Christos Tzolis, der gemeinsam mit Haris Tabakovic (Hertha BSC) die Torjägerliste anführt.

Das Spiel in der Hinrunde war das vielleicht beste Saisonspiel des SVWW, nach einer 3:0-Halbzeitführung gewann man schließlich mit 3:1.

Der Direktvergleich geht mit einer 100%-Siegquote an den SVWW, denn das Spiel in der Hinrunde war das erste Aufeinandertreffen beider Vereine.

Personelles: Jacobsen wurde nach seiner roten Karte für drei Spiele gesperrt und hat sich, kaum dass er mal wieder von Anfang an spielen durfte, selbst aus der Mannschaft genommen. Ansonsten sind bis auf Rieble und Taffertshofer alle Mann verfügbar, aber ob und wie stark Kauczinski die Startelf und vielleicht auch das System verändert, keine Ahnung.

Aufstellungstipp: Stritzel – Angha, Mathisen, Vukotic – Mockenhaupt, Fechner, Heußer, Günther – Goppel, Bätzner – Prtajin

Nach dem Spiel wird der SVWW auf Platz 12 bis 17 stehen. Sollte man nicht gegen Düsseldorf gewinnen, ist der Aufstieg übrigens rechnerisch unmöglich. Nur falls da jemand drüber nachgedacht haben sollte.