Die Wehenschau (KW 12/2022)

Nun ist es also tatsächlich passiert: Türkgücü München stellt mit sofortiger Wirkung den Spielbetrieb ein, wodurch sämtliche Partien des Vereins annulliert werden. Türkgücü steht damit als Absteiger fest und alle anderen Mannschaften verlieren die gegebenenfalls gewonnen Punkte, was sich in der Tabelle natürlich entsprechend bemerkbar macht. Sowohl im Aufstiegsrennen als auch im Abstiegskampf gibt es mehr oder weniger deutliche Veränderungen, was beispielsweise der 1. FC Saarbrücken, der beide Spiele gegen Türkgücü gewonnen hatte, nicht hinnehmen möchte. Ist zwar verständlich, aber ich bezweifle, dass sich daran nochmal etwas ändern wird. Klar ist, dass es durch diese Situation zu allerlei kleineren und größeren Ungerechtigkeiten kommt: für Kaiserslautern beispielsweise entfällt das Heimspiel am letzten Spieltag (was angesichts des bevorstehenden Aufstiegs viele Zuschauer und somit nicht nur große Emotionen, sondern auch große Einnahmen bedeutet hätte), andere Vereine hatten aus den Spielen gegen Türkgücü Verletzungen oder Sperren mitgenommen – das kann nun denen nicht mehr passieren, die ihr Rückspiel noch vor sich hatten.

Dabei sind auch noch einige Punkte ungeklärt, z. B. werden neben Punkten und Toren auch die Karten aus den Türkgücü-Spielen gestrichen? Für den SV Wehen Wiesbaden ist das eine ziemlich akute Frage, denn Taffertshofer hat gerade seine fünfte gelbe Karte gesehen und wäre im nächsten Spiel gesperrt. Die roten Karten aus dem Hinspiel gegen Wurtz und Stritzel können jedenfalls nicht mehr ungeschehen gemacht werden – wer weiß, ob der SVWW das folgende Spiel gegen Meppen mit den beiden vielleicht gewonnen statt verloren hätte? Möglicherweise wäre Rüdiger Rehm dann noch immer Wehens Trainer. Passend dazu auch Sonjas Beobachtung:

Aber vom was-wäre-wenn zurück zur Gegenwart. Der SVWW ist jetzt einen Punkt näher an den Relegationsplatz herangerückt (acht statt neun Punkte Rückstand) und zwei Punkte näher an Platz 4 (sechs statt acht), wobei Osnabrück und Braunschweig am Samstag noch ein Nachholspiel gegeneinander austragen und sich somit einer der beiden Abstände wieder vergrößern wird.

Der ganze Fall zeigt übrigens, dass der DFB deutlich genauer hinschauen muss, was die Vereine so treiben. Offensichtlich reicht es nicht, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Lizenzvergabe vor der Saison zu überprüfen und dann gegebenenfalls bei Verstößen im Nachhinein ein paar Punkte abzuziehen. Anscheinend hatte Türkgücü mit einem Budget von 3 Millionen Euro kalkuliert (und das so genehmigt bekommen), dann aber 5 Millionen Euro ausgegeben, die man jedoch nicht refinanzieren konnte. Das dürften im wesentlichen Kosten für Spielertransfers (also Gehälter, Ablösen, Beraterhonorare) gewesen sein – alles Informationen, die dem DFB vorgelegt werden müssen. Ich frage mich aber auch, was für einen Plan die Verantwortlichen bei Türkgücü hatten. Hoffen, dass man um den Aufstieg mitspielt und dadurch so attraktiv für neue Sponsoren oder Investoren ist, dass man das Defizit noch im Laufe der Saison ausgleichen kann? Oder wie hätte das ganze funktionieren sollen?

Türkgücü München ist jetzt also bis auf weiteres Geschichte und es wird wohl nicht viele Leute geben, die diesem Verein und seinem unseriösen Geschäftsgebaren hinterhertrauern werden. Immerhin waren die insgesamt vier Begegnungen des SVWW mit den Münchnern in dieser und der letzten Saison allesamt etwas besonderes, zwar nicht aus sportlichen, aber aus anderen – teilweise persönlichen – Gründen. Das Hinspiel der letzten Saison war das erste Fußballspiel im Olympiastadion seit vielen Jahren, damals leider ohne Zuschauer. Das Rückspiel in Wiesbaden fand ebenfalls ohne Zuschauer statt, aber ich durfte als Experte bei Magenta Sport ins Stadion und vor die Kamera. Beim Hinspiel dieser Saison war ich zum ersten Mal seit 17 Jahren wieder im Olympiastadion und das Rückspiel vor wenigen Tagen geht nun als das letzte Drittligaspiel von Türkgücü München in die Annalen ein.


Auch wenn der SVWW nun ein klitzekleines bisschen näher an den Relegationsplatz gerutscht ist, ändert das nichts am Umstand, dass man sich bei der Planung für die nächste Saison auf die 3. Liga konzentrieren kann. Offizielle Verlautbarungen zum Personal gab es seit den Vertragsverlängerungen von Stritzel und Lyska keine, aber der kicker will erfahren haben, dass sich der Vertrag von Dennis Kempe automatisch um ein weiteres Jahr verlängert hat. Mal schauen, was bezüglich der Herren Taffertshofer, Thiel und Korte passiert, deren Verträge ebenfalls am Saisonende auslaufen.

An diesem Wochenende gibt es wegen Länderspielen keinen Ligabetrieb. Der SVWW hat stattdessen gestern ein Testspiel beim französischen Erstligisten FC Metz absolviert und 0:2 verloren, aber anscheinend ganz gut mitgehalten. Einige Vielspieler wie Stritzel, Jacobsen und Goppel (und auch ein Wenigspieler wie Prokop) waren nicht dabei, dafür durften sich ein paar Nachwuchsspieler zeigen. Thijmen Goppel hat unterdessen einen Sponsorentermin wahrgenommen und so erfährt man nebenbei, was unser früherer Verteidiger Marko Kopilas heutzutage beruflich macht.


Termine: Nachdem die restlichen Spieltage in der 1. und 2. Bundesliga fest terminiert wurden, wird die 3. Liga in Kürze folgen. Wie immer wird der SVWW-Spielplan zeitnah aktualisiert werden.

Jugend: A- und B-Jugend des SVWW haben am vergangenen Wochenende (über)deutlich ihre Aufgaben im Hessenpokal gelöst. Die U17 gewann 4:1 in Erlensee, die U19 gar 15:0 gegen Hornau. Wie die Profis haben die älteren Nachwuchsjahrgänge an diesem Wochenende spielfrei.

Rüdi-Watch: Der FC Ingolstadt hat mit 0:1 in Kiel verloren und bei nunmehr 13 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz (und noch sieben Spielen) wohl nur noch theoretische Chancen auf den Klassenverbleib.

Hessenpokal: In Abwesenheit des Top-Favoriten (*hüstel*) geben sich die verbliebenen Favoriten, also die hessischen Regionalligisten weiterhin keine Blöße. Kickers Offenbach, FSV Frankfurt und TSV Steinbach sind ins Halbfinale eingezogen, der fehlende Teilnehmer wird noch zwischen Alzenau und Fulda Lehnerz ermittelt.