Die Wehenschau (KW 44/2024)

Der 13. Spieltag in der 3. Liga steht an, was bedeutet, dass schon ungefähr ein Drittel der Saison vorbei ist. Allerdings ist mir immer noch nicht klar, welchen Fußball der SV Wehen Wiesbaden spielen möchte und woran die wechselhaften Auftritte liegen. Man kann es sich natürlich einfach machen und feststellen, dass die Mannschaft mit gerade mal zwei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer bzw. nur einem Punkt Rückstand auf den Relegationsplatz ganz gut dasteht. Wenn man besonders wohlmeinend ist, könnte man sogar sagen, dass noch einige Punkte mehr drin gewesen wären, nicht nur am vergangenen Wochenende in Mannheim. Man muss dann aber auch erwähnen, dass einige andere Spiele äußerst günstig für den SVWW gelaufen sind, beispielsweise die Heimsiege gegen Cottbus und Osnabrück.

Generell scheint es aktuell eine gewisse Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsspielen zu geben. Zuhause hat man von den sechs Partien vier gewonnen und zwei verloren, wobei auch bei den Siegen kein Spiel dabei war, das restlos überzeugt hat. Bei den Auswärtsspielen gibt es hingegen eher das Gefühl, dass – zumindest phasenweise – sehr ordentliche Leistungen dabei waren, auch wenn „nur“ zwei Siege und drei Unentschieden (bei einer Niederlage) dabei heraussprangen.

Was kann man nun daraus lernen? Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Als Verantwortlicher würde ich mich wohl auch in solche Allgemeinplätze flüchten, wie man sie immer wieder zu hören bekommt. „Gerade zuhause wollen wir mit unseren Fans im Rücken überzeugender auftreten“ wäre so ein Satz oder „Auswärts müssen wir noch effizienter mit unseren Chancen umgehen und uns für den betriebenen Aufwand belohnen“. (Okay, am Gebrauch von „effizient“ statt „effektiv“ merkt man, dass das kein echter Fußballersatz ist, aber Ihr versteht schon.)

Mit dem Heimspiel gegen Arminia Bielefeld und dem darauf folgenden Auswärtsspiel in Saarbrücken stehen jedenfalls gleich die nächsten Spitzenspiele an. Und sollte ich die Wahl haben zwischen glücklichen Siegen wie gegen Cottbus und Dresden oder einem – wie gegen Sandhausen – lange Zeit guten Spiel, das urplötzlich verloren geht, dann ist die Entscheidung einfach.


Eine Sache, die ich seit langer Zeit beobachte, verstehe ich einfach nicht. Und zwar rede ich von dem Umstand, dass wir bei gegnerischem Eckball alle Spieler im bzw. um den eigenen Strafraum versammeln. Schon klar, man möchte mit maximaler Besetzung das eigene Tor verteidigen, aber das erlaubt auch dem Gegner, mit fast genau so vielen Spielern aufzurücken. Meistens sind bei Ecken bis auf den gegnerischen Torwart alle anderen 21 Spieler in unserer Hälfte. Warum stellt man nicht wenigstens einen der Spieler, die ohnehin nicht für Kopfballduelle geeignet sind, z. B. Goppel oder Bätzner, an die Mittellinie? Der Gegner ist damit gezwungen, mindestens einen, eher zwei eigene Spieler zur Absicherung hinten zu lassen, sodass die Überzahl im eigenen Strafraum weiterhin gegeben ist, während man bei Ballgewinn zusätzlich noch die Möglichkeit eines schnellen Konters hat. Das ist übrigens keineswegs eine wilde Idee, die meisten Mannschaften machen das exakt so, aber beim SVWW igelt man sich komplett ein. Kann mir das jemand erklären?


Kurzer Schwenk zum Hessenpokal. Da läuft mittlerweile das Achtelfinale, zwei Partien sind bereits absolviert und übernächste Woche spielt auch der SVWW endlich mit. Das Finale der letzten Saison hatte noch ein finanzielles Nachspiel, denn obwohl über 8.000 Zuschauer:innen am Bornheimer Hang den Sieg von Kickers Offenbach gegen Türk Gücü Friedberg sahen, mussten beide Vereine noch jeweils über 4.000 Euro zuzahlen (bzw. bekamen das von ihren Prämien abgezogen) – aus dem einfachen Grund, weil für das als Hochrisikospiel eingestufte Finale soviel Sicherheitspersonal benötigt wurde. Nunja. Für die Endspiele in dieser und nächster Saison läuft aktuell übrigens die Bewerbungsphase – wäre das nicht was für die Brita-Arena? Ist schließlich schon lange her, dass dort das bisher einzige Mal ein Hessenpokalfinale stattfand (und gut für den SVWW ausging).


Eine ganz andere Veranstaltung findet am nächsten Donnerstag in der Brita-Arena statt, nämlich der „26er Club Sport Talk“. Nico Schäfer, Uwe Stöver, Nils Döring sowie zwei Spieler sind als Gesprächspartner angekündigt und vermutlich wird mal wieder Alf Mintzel die Moderation übernehmen. Letztes Jahr fand ein Sport Talk mit vergleichbarem Lineup im „Wohnzimmer“ statt und an sich hätte ich mir das gerne wieder angehört, selbst wenn man kaum darauf hoffen darf, dass auch mal kritische Fragen gestellt werden. Irritiert und abgeschreckt hat mich aber der Umstand, dass man diesmal 15 Euro Eintritt verlangt. Okay, eine Currywurst und ein Getränk sind dabei inkludiert, aber Eintritt für eine Veranstaltung mit ausschließlich Vereinspersonal? Ist ja nicht so, dass man sich einen prominenten Gast eingeladen hätte, wie es vor vielen Jahren schon mal eine Zeitlang üblich war. Ich bin sehr gespannt, wieviele zahlende Gäste tatsächlich kommen. Schreibt doch mal ins Forum, wenn Ihr hingeht bzw. dort wart.


Zur Abwechslung mal ein Blick auf die 2. Bundesliga, die ich selbst aktuell nur sehr am Rande verfolge. Aber jede Woche, wenn ich zumindest mal auf die Ergebnisse und die Tabelle schaue, ärgere ich mich wieder, dass der SVWW in der letzten Saison den Klassenerhalt verpasst hat. Bei der großen Anzahl an Mannschaften, die offenbar mit der zweiten Liga überfordert sind, wäre ein weiterer Verbleib (und somit das Erreichen des ursprünglichen Ziels, bis 2026 „ein etablierter Zweitligist“ zu sein) absolut realistisch gewesen. Schauen wir mal auf unseren Relegationsgegner Jahn Regensburg. Die hatten bis zum letzten Spieltag in neun Spielen nur ein einziges Tor erzielt (damit aber erstaunlicherweise vier Punkte geholt). Am vergangenen Wochenende hat man in Nürnberg zwar drei Tore geschossen und somit die bisherige Torausbeute mit einmal vervierfacht, aber dafür acht Stück (!) kassiert. Mit vier Punkten und 4:30 Toren ist Regensburg natürlich Letzter, aber interessanterweise nicht mal weit abgeschlagen, denn Preußen Münster hat auch erst sieben Zähler, Braunschweig, Schalke und Ulm stehen bei acht. Jungejunge, was für eine Shitshow, da hätte der SVWW kaum schlechter abschneiden können.


Apropos Shitshow. Die Sinnhaftigkeit von Fanprojekten ist eigentlich allgemein anerkannt, aber die soziale Arbeit im Fußball sieht sich mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert. Der sächsische Innenminister (wen wundert’s?) zweifelte öffentlich die Wirksamkeit von Fanprojekten an, in Karlsruhe wurden drei Mitarbeiter:innen des dortigen Fanprojekts zu Geldstrafen verurteilt, weil sie die Aussage in einem Prozess gegen Pyro-Zündler verweigerten. Keine gute Entwicklung.


Was, wann, wo: 3. Liga, 13. Spieltag, Sonntag, 3. November, 16:30 Uhr, zuhause gegen Arminia Bielefeld

Der Gegner: Arminia Bielefeld befand sich lange quasi im freien Fall. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga 2022 folgte ein Jahr später der „Durchmarsch“ in die 3. Liga und es drohte sogar der Komplettabsturz bis in die Regionalliga, erst am vorletzten Spieltag stand der Klassenerhalt fest. Immerhin gewann man den Westfalenpokal, was zur Teilnahme am DFB-Pokal berechtigte. Dort hat man nun nach Siegen gegen Hannover und Union Berlin als einziger Drittligist das Achtelfinale erreicht und auch in der Liga geht der Blick klar nach oben, denn das Team von Trainer Mitch Kniat steht aktuell mit 22 Punkten auf Platz 3. Die letzte Niederlage datiert aus dem September, in den sieben Spielen seitdem (inklusive Landespokal und DFB-Pokal) gab es fünf Siege und zwei Unentschieden. Die Arminia wird also mit großem Selbstvertrauen anreisen, aber nach zwei englischen Wochen in Folge möglicherweise auch etwas müde. Verlassen können sich die Ostwestfalen im Regelfall auf ihre Defensive, denn außer beim 0:3 gegen den VfB Stuttgart II gab es kein Spiel mit mehr als einem Gegentor. Insgesamt elf Gegentore sind Bestwert in der Liga (gemeinsam mit Sandhausen). Bester Torschütze ist Julian Kania mit vier Treffern, die restlichen 13 Tore verteilen sich auf elf Spieler (plus ein Eigentor). Vereinslegende Fabian Klos hat nach der letzten Saison seine Karriere beendetet und wurde zum ersten Ehrenkapitän der Arminia ernannt.

Das letzte Spiel: Ist uns natürlich noch in bester Erinnerung, denn mit dem 2:1-Sieg im Rückspiel der Relegation vor anderthalb Jahren macht der SVWW (nach dem 4:0 im Hinspiel) den Aufstieg klar.

Der Direktvergleich geht knapp an Bielefeld: von insgesamt zehn Spielen gewann der SVWW drei und verlor vier, bei drei Unentschieden.

Personelles: Goppel, Hübner und Wegmann fehlen weiterhin, dazu jetzt auch Rieble bis Jahresende mit einem Muskelfaserriss. Luckeneder musste in Mannheim früh ausgewechselt werden und ist nach einer Gehirnerschütterung noch fraglich. Wenn Mockenhaupt wieder auf der rechten Seite Goppel vertritt, wird es plötzlich ganz schön knapp an Abwehrspielern.

Aufstellungstipp: Stritzel – Carstens, Jacobsen, Janitzek – Mockenhaupt, Fechner, Gözüsirin, Greilinger – Bätzner, Kaya – Flotho

Nach dem Spiel wird es hinter der Westtribüne keine Musik vom DJ geben, da dieser sich schon in die Winterpause verabschiedet hat.