Die Wehenschau (KW 10/2025)
In den letzten Tagen war viel von den zwei Gesichtern des SV Wehen Wiesbaden zu hören und zu lesen und je öfter davon die Rede ist, desto simpler wird die Erzählung: auswärts spielt man gut, zuhause nicht. Tendenziell würde ich dem sogar zustimmen, aber gerade die beiden letzten Spiele auswärts in Sandhausen und zuhause gegen Aue als Gegensätze gegenüberzustellen, finde ich etwas gewagt. Bloß weil man in Sandhausen gröbere Schnitzer vermeiden konnte (und zudem auf einen wirklich schlechten Gegner traf), war das noch lange kein gutes Spiel. Der eindimensionale Spielvortrag, die Einfallslosigkeit im Offensivspiel, die Schwächen im Passspiel, das alles war in Sandhausen nicht viel anders als gegen Aue. Umgekehrt hätte Kaya im Heimspiel gegen Aue auch durchaus in der ersten Halbzeit das 1:0 erzielen können (ungefähr zum selben Zeitpunkt wie Flotho gegen Sandhausen) und vielleicht hätte man dann erneut das Ergebnis über die Zeit gerettet. Dann wäre die Erzählung jetzt eine ganz andere, weil diese im Fußball im Wesentlichen vom Ergebnis bestimmt wird, aber es würde nichts daran ändern, dass das fußballerisch alles sehr, sehr mager ist.
Häufig ist auch die Rede davon, dass man die „Basics“ entweder gezeigt oder vermissen gelassen hat, aber wenn man schon darüber diskutieren muss, ob regelmäßig die Grundtugenden des Fußballs abgerufen werden können oder nicht, liegt schon eine Menge im Argen. Das muss einfach immer da sein, deswegen sind es ja die „Basics“, aber darüber hinaus würde ich gerne auch mal ein bisschen Fußball sehen. Mehrere Pässe hintereinander, die jeweils beim Mitspieler ankommen, beispielsweise. Oder irgendeine andere Idee außer dass Goppel aus dem Halbraum eine Flanke in den Strafraum schlägt. Insgesamt ist seit Saisonbeginn kaum eine Entwicklung zu sehen. Ja, ab und zu funktioniert ausreichend viel, dass man eine Partie gewinnt, aber die Anzahl wirklich guter Spiele in dieser Saison kann man an einer Hand abzählen.
Am Freitag in Osnabrück müsste der SVWW – weil auswärts – nach eigener Logik ja wieder gut spielen. Der VfL ist in einer sehr guten Verfassung und die Mannschaft der Stunde, aber vielleicht spielt das dem SVWW ja in die Karten. Als Gastmannschaft und Außenseiter kann man sich voll auf eine stabile Abwehr und schnelles Umschaltspiel konzentrieren. Und ein Freitagabend Anfang März in Osnabrück weckt natürlich Erinnerungen: heute vor fünf Jahren gewann der SVWW im letzten Spiel vor der Corona-Pause spekatulär an der Bremer Brücke mit 6:2.
Wenn man sich die richtigen Statistiken rauspickt, kann man natürlich alle möglichen Geschichten erzählen. Mal schauen, ob demnächst auch noch die Erkenntnis der „Falschen 9“ zitiert wird, wonach der SV Wehen Wiesbaden im Februar die beste hessische Profimannschaft war. Dafür reichten schon sechs Punkte aus vier Spielen, womit man Eintracht Frankfurt (fünf aus vier) und Darmstadt 98 (drei aus drei) in diesem Gaga-Ranking hinter sich ließ.
Apropos Darmstadt: Die Lilien wollen angeblich Thijmen Goppel zur nächsten Saison verpflichten. Paul Fernie kennt ihn ja gut, hat ihn einst selbst zum SVWW geholt und bekanntermaßen keinerlei Hemmungen, sich bei seinem Ex-Verein zu bedienen. Im Sommer läuft der Vertrag des Niederländers aus und warum sollte er weiter in der 3. Liga bleiben? Wenn es nicht Darmstadt wird, dann sicherlich ein anderer Zweitligist oder ein ausländischer Club, aber dass Goppel noch ein weiteres Jahr für den SVWW aufläuft, erscheint nicht sehr realistisch.
Die DFL hat wieder ein paar Spieltage mit festen Anstoßzeiten versehen, d. h. in Kürze wird auch der DFB für die 3. Liga nachziehen und man kann immerhin schon bis Ostern planen, hurra.
Was, wann, wo: 3. Liga, 27. Spieltag, Freitag, 7. März, 19:00 Uhr, auswärts beim VfL Osnabrück
Der Gegner: Der Drittliga-Klassiker steht an, schon zum 24. Mal treffen der VfL und der SVWW in der 3. Liga aufeinander, keine Paarung gab es häufiger – und in den Jahren, in denen der SVWW in der 2. Bundesliga spielte, war Osnabrück ebenfalls dort. Letzte Saison sind beide mal wieder abgestiegen, aber während sich Wehen (bisher) von den Abstiegsplätzen fern halten konnte, mussten die Niedersachsen lange Zeit sogar den Absturz in die Regionalliga fürchten. Schon im September trennte man sich von Trainer Uwe Koschinat, sein Nachfolger Pit Reimers musste nach nur zehn Spielen im Dezember ebenfalls wieder gehen. Mit Marco Antwerpen hat man nun offenbar den Richtigen gefunden, denn dessen Bilanz ist mit sechs Siegen und drei Unentschieden aus den ersten neun Partien unter seiner Regie ganz hervorragend. So sind die Lila-Weißen seit Antwerpens Amtsantritt vom letzten auf den 13. Platz geklettert und führen die Rückrunden-Tabelle an. Bester Torschütze mit sieben Treffern ist immer noch Ba-Muaka Simakala, der aber seit dem letzten Trainerwechsel nur noch Joker ist und seitdem nicht mehr getroffen hat. Dafür trumpft seit der Winterpause Lars Kehl auf, der acht seiner zehn Scorerpunkte in der Rückrunde erzielt hat.
Das Spiel in der Hinrunde gewann der SVWW nach Rückstand durch einen späten Doppelschlag mit 2:1.
Der Direktvergleich geht klar an den SVWW: mehr als die Hälfte der bisher 31 Aufeinandertreffen wurden gewonnen (16S/6U/9N).
Personelles: Kaya fehlt aufgrund seiner fünften gelben Karte, womit die Optionen in der Offensive ziemlich knapp werden. Weder Franjic, noch Wohlers noch Agrafiotis konnten bisher überzeugen, aber zwei von den dreien werden wohl beginnen und der dritte irgendwann eingewechselt werden. Die Verletzten trainieren teilweise wieder, sind aber noch nicht spielbereit.
Aufstellungstipp: Stritzel – Mockenhaupt, Carstens, Luckeneder – Goppel, Jacobsen, Taffertshofer, Janitzek – Frankic, Wohlers – Flotho
Nach dem Spiel wird der SVWW auf Platz 6 bis 10 stehen.
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Foto: Ramsch / Wikipedia