Die Wehenschau (KW 12/2020, Teil 1)
Normalerweise würde an dieser Stelle der Bericht zum Spiel gegen den VfB Stuttgart stehen, aber da der komplette Fußballbetrieb aufgrund der Corona-Krise zum Stillstand gekommen ist, versuche ich mich mal stattdessen an einer Einschätzung, was passieren wird.
Klar ist, dass die Liga aktuell bis zum 2. April pausiert und die sich dann eigentlich anschließenden Länderspiele entfallen. Allerdings gibt es bereits jetzt in einzelnen Bundesländern die Anweisung, dass bis zum 19. April keinerlei Veranstaltungen stattfinden dürfen, sodass auch der Spieltag nach der ursprünglichen Länderspielpause passé sein dürfte. Aber selbst wenn bis dahin die Anzahl der Covid-19-Neuerkrankungen zurückgehen sollte (was momentan niemand mit Gewissheit sagen kann), kann es doch jederzeit noch vorkommen, dass sich einzelne Spieler, Trainer oder Betreuer infizieren und somit ganze Mannschaften in Quarantäne müssen. Mir erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass bis zum Sommer, vielleicht auch länger, wieder ein halbwegs geregelter Spielbetrieb stattfinden kann.
Nun liegt es nahe zu sagen „Scheiß drauf, es gibt gerade wichtigere Probleme, lass uns die Saison abbrechen“, aber damit ist es natürlich nicht getan. Da ist zum einen die Frage, wie sich die Vereine in den nächsten Monaten finanzieren sollen, denn die allermeisten Kosten, vor allem Gehälter, entstehen selbstverständlich weiterhin. Das mag für die Spitzenteams im Lande ein kleineres Problem sein, aber wenn man mal jenseits von Bayern München, Borussia Dortmund & Co. schaut, ist das zweifellos ein riesiges Problem. Die Fernsehgelder, die in den ersten beiden Ligen den bei weitem größten Posten auf der Einnahmenseite bilden, werden wohl vierteljährlich ausgezahlt. Die letzte Tranche für diese Saison steht anscheinend noch aus und würde vermutlich nicht fließen, wenn keine Spiele mehr stattfinden würden, die man dafür auch übertragen könnte. Deshalb wird die DFL bei ihrer heutigen Versammlung sicherlich eine Lösung anstreben, dass man die Saison irgendwie zu Ende spielt, wenn auch ohne Zuschauer. Allerdings sind auch fehlende Zuschauereinnahmen bei kleineren Vereinen wie dem SVWW ein ernsthaftes Problem, selbst bei dem niedrigen Zuschauerschnitt. Geschäftsführer Nico Schäfer sprach bei der Pressekonferenz am Freitag von einer „existenzbedrohenden Situation“. Da wird es kreative Lösungen brauchen, sei es eine Art Solidarfonds der DFL, Überbrückungskredite, Gehaltsverzicht der Spieler oder was auch immer. Ich bin sehr froh, dass ich kein Entscheider bin, denn das wird zweifellos ziemlich heftig. Als Fan kann ich momentan nicht viel mehr beitragen, als auf die anteilige Erstattung meiner Dauerkarte zu verzichten.
Mal angenommen, die Liga nimmt irgendwann Ende April oder Anfang Mai wieder ihren Betrieb auf und versucht die Saison zu Ende zu spielen, dann ergeben sich natürlich zahlreiche weitere Probleme. Zunächst mal hinsichtlich der Termine, auch wenn die UEFA morgen sicherlich eine Verschiebung der Europameisterschaft beschließen wird, denn viele Spielerverträge enden am 30. Juni, d. h. bis dahin muss die Saison abgeschlossen sein – oder man einigt sich allgemein auf kurzfristige Verlängerungen um ein, zwei Monate.
Aber wie gesagt, wahrscheinlicher scheint mir, dass komplett abgebrochen werden muss, auch wenn das die DFL aus genannten Gründen irgendwie vermeiden will und vermutlich morgen noch nicht beschließen wird. Dann stellt sich die Frage, wie es danach weitergeht, also Auf- und Abstiege, Qualifikation für die europäischen Wettbewerbe usw. Ich verweise mal auf den kicker, aber klar ist, dass es in jedem Szenario Härten und Ungerechtigkeiten geben wird.
Mein Tipp (aber wer mein regelmäßiges Versagen im Tippspiel kennt, weiß, was er davon zu halten hat) ist, dass die Saison entweder annuliert wird und die nächste Spielzeit in identischer Besetzung beginnt oder dass es nur Aufsteiger, aber keine Absteiger geben wird. Die 1. Liga müsste entsprechend aufgestockt werden, was übrigens den Fernsehsendern nächstes Jahr mehr zu übertragende Spieltage liefern würde – eventuell ein für beide Seiten akzeptables Geschäft, sodass auch für diese Saison noch die restlichen Beträge ausgezahlt werden könnten. So oder so könnte der SVWW zumindest sportlich profitieren und auch nächstes Jahr in der 2. Bundesliga antreten – sofern er sich bis dahin finanziell über Wasser halten kann. Durchaus möglich, dass am Ende Markus Hankammer bzw. Brita einspringen muss.
Es bleibt auf jeden Fall spannend, auch wenn sich diese Art von Spannung niemand wünscht. Sobald es neue Entwicklungen gibt, versuche ich diese hier einzuordnen.
(Ja, ich weiß natürlich, dass es in der aktuellen Situation deutlich wichtigere Dinge als Fußball gibt. Das gilt aber auch sonst an jedem Tag des Jahres und trotzdem schreibe ich hier nur über die kleine Welt des SV Wehen Wiesbaden. Schlaue Ratschläge, wie man sich in Zeiten der Corona-Krise verhalten soll, gibt es an anderen Stellen genügend – dazu nur ein Tipp: vertraut nicht auf irgendwelche Facebook-Meldungen oder weitergeleiteten WhatsApp-Nachrichten, sondern schaltet mal die öffentlich-rechtlichen Sender ein.)