2. Bundesliga, 26. Spieltag: SVWW – VfB Stuttgart 2:1

Tore: Schäffler (50.), Tietz (90+7.) – Gonzalez (84.)

Das Spiel als Tautogramm: Schäffler (schon wieder), Schiri – Schwaben schockiert.

Das Spiel in etwas mehr als fünf Worten:
Das erste Spiel nach der Corona-bedingten Zwangspause, Geisterspiel statt ausverkauftes Haus. In diesen ungewissen Zeiten ist wenigstens darauf Verlass, dass Wehens Trainer Rüdiger Rehm seine zuvor erfolgreiche Mannschaft unverändert lässt, neun Wochen Unterbrechung hin oder her. Nach einer ersten Freistoßmöglichkeit von der Strafraumgrenze für den SVWW (Dittgen in die Mauer) übernahmen die Gäste die Spielkontrolle. Gomez hatte direkt eine große Chance, aber Lindner war zur Stelle. Es folgten ein Tor aus Abseitsposition und ein Schuss am Kasten vorbei, aber viel mehr konnte Stuttgart aus seiner deutlichen Überlegenheit nicht rausholen. Nach einer knappen halben Stunde strich Chatos Schuss aus dem Rückraum nur knapp übers Tor und das war so ein bisschen wie eine Ansage, dass die Gastgeber sich nicht nur aufs Verteidigen beschränken wollten. Der VfB versuchte es einige Male mit Distanzschüssen, die aber meistens deutlich übers Tor gingen oder sichere Beute von Lindner wurden. Die erste Halbzeit endete torlos, aber schon wenige Minuten nach Wiederanpfiff änderte sich der Spielstand. Nach einem Ballgewinn am eigenen Strafraum kam der SVWW mit einem wunderschönen Angriff über Aigner und Dittgen schnell vors Stuttgarter Tor, Aigner legte per Kopf auf Schäffler ab, der den Ball in aller Ruhe annahm und an Torwart Kobel vorbei in die Maschen schob. Wie im Hinspiel lag plötzlich wieder eine Sensation in der Luft. Der VfB drückte natürlich auf den Ausgleich, blieb aber immer wieder an der dichten Wehener Abwehr hängen: sowohl flache Pässe als auch Flanken landeten immer wieder bei den aufmerksamen Verteidigern in den rotschwarzen Trikots, während die Distanzschüsse weiterhin das Ziel verfehlten. Kyereh hatte das 2:0 auf dem Fuß, legte aber nochmal quer auf Lorch, der jedoch entscheidend gestört wurde. Auch Knöll hatte die Chance auf die Vorentscheidung, zielte mit seinem Kopfball aber zu ungenau. Stattdessen kam der VfB zu Möglichkeiten und in der 84. Minute traf schließlich Gonzalez zum Ausgleich. „Schade“, werden sich die meisten SVWW-Anhänger und wahrscheinlich auch die Spieler gedacht haben, aber nun wollte man wenigstens den einen Punkt behalten. Tatsächlich wurden die Gäste in den Schlussminuten nicht mehr wirklich gefährlich, während Wehen nochmal in den gegnerischen Strafraum kam. In der letzten von drei angezeigten Minuten Nachspielzeit unterbrach Schiedsrichter Stegemann, nachdem ihn der Videoassistent über ein mögliches Handspiel informiert hatte. Nach mehrminütigem Review gab es tatsächlich Strafstoß für den SVWW. Schäffler war bereits ausgewechselt, weshalb Tietz antrat und traf. 2:1, Abpfiff, ein erneuter Sensationssieg über den haushohen Favoriten. Wahnsinn.

Liebling des Spiels: Videoassistent Robert Kampka. Niemand im Stadion und wohl auch kein Zuschauer daheim am Fernseher hatte einen Handspielverdacht, auch Schiedsrichter Stegemann musste sich die Szene minutenlang in verschiedenen Einstellungen anschauen, aber unser Held des Tages hat mit überragendem Adlerblick ein grobes Unrecht verhindert.

Szene des Spiels: Nachspielzeit, eine Hereingabe fliegt in den Gästestrafraum Richtung Chato, der von zwei Stuttgartern bedrängt wird. Anscheinend berührt Al Ghaddioui den Ball dabei mit dem Arm, was nur der VAR bemerkt. Eine halbe Minute später, als der Ball im Seitenaus und der Abpfiff nur noch Sekunden entfernt ist, kommt es zum Review, was seinerseits nochmals mehrere Minuten in Anspruch nimmt. Schließlich ist klar: Strafstoß für den SVWW, Tietz behält die Nerven und trifft zum Sieg in der 97. Minute.

Vor dem Spiel: Ein kleines bisschen Vorfreude, dass es wieder losgeht, gemischt mit großer Ungewissheit, wie das wohl so werden mag nach der langen Pause, im leeren Stadion, mit den diversen Corona-Schutzmaßnahmen.

Nach dem Spiel wurde ich kurz wehmütig: wie geil wäre dieses Spiel mit diesem Schlusspunkt in einem ausverkauften Stadion gewesen? Aber zur eigenen Beruhigung: lieber in einem leeren Stadion gewinnen als in einem vollen verlieren.

Das fiel auf:
+ Der SVWW hat seine Form offenbar über die Pause bewahren können, mit allem, was ihn zuvor ausgezeichnet hat: konzentrierte Defensivarbeit, aggressiv in den Zweikämpfen, hohe Laufbereitschaft und den einen oder anderen sehr guten Konter.
+/- Wenn man die Vereinsbrille mal absetzt, ist diese Strafstoßentscheidung natürlich brutal. Eventuell lag tatsächlich ein Handspiel vor, aber wenn man minutenlang in x verschiedenen Kameraperspektiven nach einem Nachweis suchen muss, verstehe ich absolut den Ärger auf Stuttgarter Seite. Hätte es diese Situation auf der anderen Seite mit der Entscheidung gegen den SVWW gegeben, wäre ich wahrscheinlich vor Wut explodiert. Aber wir haben in dieser Saison ja auch schon ätzende VAR-Entscheidungen gegen uns gehabt, von daher fühlt es sich ein bisschen nach ausgleichender Gerechtigkeit an – hilft Euch natürlich nichts, liebe Stuttgarter, aber seht es uns bitte nach.
+ Durch die ganze Diskussion um den Elfmeter wird etwas außer Acht gelassen, dass der SVWW gute Chancen aufs 2:0 hatte und auch in der Gesamtbilanz an hochkarätigen Chancen nicht so unterlegen war wie die restlichen Spielstatistiken unterstellen.
+/- Kleiner Wermutstropfen: Mockenhaupt und Röcker sahen beide die fünfte gelbe Karte und werden das nächste Spiel aussetzen müssen. Dafür sollte das Thema einer drohenden Sperre im Saisonfinale und einer eventuellen Relegation keine Rolle mehr für die beiden spielen.
+/- Ein Pflichtspiel, das sich mangels Publikum anfangs eher wie ein Testspiel anfühlte: man hörte ständig die Rufe der Spieler und Trainer, am Ende sogar die Unterhaltung zwischen Schiedsrichter und Videoassistent. Allerdings war das Spiel schnell so intensiv, dass ich mich voll auf das Spielgeschehen konzentrieren konnte.

Das schreiben die anderen: WK, kicker, hessenschau, Stuttgarter Zeitung, Highlight-Video

Zuschauer: 0 (wenn man die etwa 270 zugelassenen Personen nicht mitzählt). Das Hinspiel war das Spiel mit den meisten Zuschauern in der Wehener Vereinsgeschichte, das Rückspiel das mit den wenigsten.

Tabelle: Der SVWW bleibt auf Relegationsplatz 16, rückt aber bis auf einen Punkt an Nürnberg und Sandhausen heran. Mit 28 Punkten nach 26 Spieltagen hat der SVWW erstmals seit dem 20. Spieltag wieder mehr Punkte als Spiele. Nebenbei: rein theoretisch kann Wehen immer noch Zweitligameister werden. 😉

Serien und Rekorde: Im vierten Aufeinandertreffen zwischen dem SV Wehen Wiesbaden und dem VfB Stuttgart endet das Spiel zum vierten Mal 2:1, erstmals gewinnt dabei die Heimmannschaft. Schäffler erzielt schon zum siebten Mal in dieser Saison das 1:0. Sascha Mockenhaupt handelt sich zum ersten Mal in seiner Profikarriere eine Gelbsperre ein.

Ansonsten: So 100% habe ich das Hygienekonzept der DFL noch nicht verstanden. Die Mannschaften waren ja jetzt in einer 7-tägigen Quarantäne und wurden dabei mehrmals getestet, d. h. es ist ziemlich ausgeschlossen, dass am Spieltag jemand infektiös war – wieso müssen die Ersatzspieler dann trotzdem mit Masken auf der Bank (bzw. der Tribüne) sitzen? Und wieso mussten sie vorher in Quarantäne, aber dürfen jetzt nach Hause? Wer es schlüssig erklären kann, darf gerne einen Kommentar dalassen.

Nächstes Spiel: Am kommenden Freitag (Anpfiff 18:30 Uhr) auswärts beim 1. FC Heidenheim.


Beitragsbild: Micha