Plötzlich ist die Saison vorbei
Am Samstag um 15:07 Uhr lag die Sensation in der Luft. Nicht mal eine Minute nachdem Addy-Waku Menga die erneute Führung für den SVWW in Bremen erzielt hatte, glich Kickers Offenbach gegen Dynamo Dresden aus – in diesem Moment war Wehen auf dem begehrten dritten Platz. Leider hielt dieser leicht ekstatische Zustand nur wenige Minuten, nämlich bis Dresden wieder in Führung ging und diese auch nicht mehr hergab. Da half es auch nichts, dass der SVWW letztlich mit 4:1 gegen Werders zweite Mannschaft gewann (Tore durch Kioyo, Menga, Mintzel und Janjic) und diese endgültig in die Regionalliga schoss.
Zum Spiel gibt es, zumal mit dem Abstand von fast einer Woche, nicht mehr viel zu sagen. Wer sich den Spielfilm nochmal geben möchte, kann sich ja den Ticker zu Gemüte führen.
Dresden konnte also Platz 3 verteidigen und spielt heute und am kommenden Dienstag in der Relegation gegen den VfL Osnabrück (mit unseren alten Bekannten Benjamin Siegert und Dennis Schmidt). Der SV Wehen Wiesbaden beendet die Saison auf Platz 4 – die Position, die man an insgesamt 16 von 38 Spieltagen innehatte und die nach der überraschend guten Vorrunde als offizielles Saisonziel ausgegeben wurde. Angesichts des knappen Abstands zu Dresden (1 Punkt und 2 Tore weniger) und der zahlreichen vergebenen Chancen in Saisonendspurt (der ja eher einem Schneckenrennen glich) könnte man sich ärgern, aber am Ende überwiegt doch die Freude über eine sehr gute Saison. Zum ersten mal seit Regionalligazeiten bekamen wir in einer Saison wieder mehr Siege als Niederlagen zu sehen, man stand das ganze Jahr nie schlechter als Platz 7, man war buchstäblich bis zur letzten Spielminute im Rennen um den Relegationsplatz und mit dem Hessenpokal gab es sogar einen Titel zu feiern. Das war nach der letzten Saison, als man lange gegen den Abstieg kämpfen musste, und dem großen Umbruch zu Saisonbeginn keinesfalls selbstverständlich.
Deshalb von mir an dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN an die ganze Mannschaft, an Trainer Gino Lettieri und auch an Geschäftsführer Wolfgang Gräf!
Natürlich kann man auch überlegen, woran es letztlich gelegen hat, dass es nicht zu Platz 3 gereicht hat. Da war zum einen die Sieglos-Serie gegen Ende der Hinrunde, als in sechs Spielen gerade mal zwei Punkte geholt wurden, zum anderen die lang anhaltende Auswärtsschwäche, die verhinderte, dass der SVWW sich in der Rückrunde länger als einen Spieltag auf dem dritten Platz festkrallen konnte. Und schließlich muss man feststellen, dass gegen die Spitzenteams viel zu wenig Punkte geholt wurden: drei gegen Braunschweig (und die nur mit etwas Glück), null gegen Rostock, jeweils einer gegen Dresden, Erfurt und Offenbach. Da braucht man über „verdient“ oder „unverdient“ wirklich nicht mehr diskutieren.
Aber woran lag es? OK, bei der Sieglos-Serie in der Hinrunde war etwas Pech dabei, als wegen Verletzungen und Sperren ständig die halbe Abwehr ausfiel, aber insgesamt muss man wohl einfach einsehen, dass der Kader nicht mehr hergab – oder um es positiver zu formulieren: das maximal mögliche wurde rausgeholt. In der Abwehr fehlten, auch bedingt durch Thorsten Bargs langfristigen Ausfall, ein bis zwei Spitzenleute. Fabian Schönheim musste häufig in der Innenverteidigung ran und fehlte dann auf links, wo er oft von Alf Mintzel vertreten wurde, der aber seinerseits im Mittelfeld noch wertvoller ist. Im rechten Mittelfeld kam erst ab der Winterpause mit der Verpflichtung von Daniel Brosinski echte Qualität auf den Platz und unsere Stürmer erzielten insgesamt einfach zu wenig Tore. In der Hinrunde wurde das teilweise durch Zlatko Janjic‘ acht Treffer kaschiert, aber dieser spielte dann leider eine ziemlich mäßige Rückrunde, in der er nur noch viermal traf und sich häufig reichlich lustlos über den Platz schleppte. Letztlich waren auch so manche Personalentscheidungen unseres Trainers nur schwer nachzuvollziehen (man denke an den jungen Wal Fall im Heimspiel gegen Braunschweig oder Jan Fießers ständiges Pendeln zwischen Startelf und Tribünenplatz), auch wenn meiner Meinung nach die teilweise kritisierte Rotation insgesamt eher positiv und gerade in den englischen Wochen schlicht notwendig war.
Damit will ich es aber auch mit der Kritik bewenden lassen. Neben der oben erwähnten sehr positiven Saisonbilanz möchte ich auch ausdrücklich loben, dass insgesamt eine deutliche Weiterentwicklung der Spielweise zu erkennen ist. Während zu Saisonbeginn vor allem die Defensive sicher stand und vorne wenige Tore zu Siegen reichten (nach 13 Spieltagen 30 Punkte mit 19:8 Toren), wurde nach und nach auch das Offensivspiel zielstrebiger und ansehnlicher. Ich bin sehr gespannt, wie es in der nächsten Saison weitergeht und ob das selbstgesteckte Ziel 2. Bundesliga (aktuell in der ganzen Stadt auf Plakaten nachzulesen) im nächsten Jahr verwirklicht werden kann. Zum erneuten Umbruch im Kader kommt in den nächsten Tagen noch ein eigener Artikel.
Während für uns die Saison also „schon“ vorbei ist, werde ich heute Abend mit nur ganz wenig Wehmut das Spiel zwischen Dresden und Osnabrück verfolgen und daran denken, dass die 3. Liga auch einige Vorteile hat, z. B. weniger Andrang an den Eingängen und Bierständen – und natürlich die Aussicht, auch im nächsten Jahr wieder deutlich mehr Siege als Niederlagen zu erleben.
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